Barbara Fritz

Wie wir in Zukunft arbeiten könnten: Psychosoziale Gesundheit als Wirtschaftsfaktor in der Informationsgesellschaft

Wie wandelt sich Arbeit und die Vorstellung davon ?

 

Was ist: Arbeit ?

Arbeit soll zunächst die Existenzsicherung ermöglichen. Viele Erwerbstätige verlangen daneben aber auch nach einer Vielzahl weiterer Kriterien wie die Entfaltung von Kreativität und individuellen Fähigkeiten, Anerkennung und Selbstachtung, die Teilhabe an einer kollektiven Leistung sowie soziale Integration durch Arbeit. Neben der bezahlten Arbeit umfasst "Beschäftigung" den weiten Bereich der häuslichen Arbeit sowie den am Gemeinwesen geleisteten Beitrag. Um die Kriterien der Arbeit zu gewinnen, die ich in meinem Beruf als angestellte Presselektorin in der privatwirtschaftlichen Medienauswertung (ausgebildet als Wissenschaftliche Mediendokumentarin) nicht finde, engagiere ich mich aktiv in der Gewerkschaftsarbeit (HBV) mit Schwerpunkt Multimedia und Buchverlage. Dabei erfahre ich auch, wie es KollegInnen in ihrem Berufsalltag - oder ihrer Erwerbslosigkeit - ergeht. Andere - ganzheitlichere - Lebens- und Arbeitsformen habe ich als Volunteer in der Iona Community (Abbey), Iona, Schottland (www.iona.org.uk/index.htm) und bei Besuchen auf dem Laurentiushof in Bosenholz kennengelernt. Die Haushalts- und Gemeinwesenarbeit bereichert das Gemeinschaftsleben, bewahrt kulturelle Traditionen und stärkt die menschliche Entwicklung. So ist sie auch "soziale Reproduktion" im weitesten Sinne. Dieser Wert der "Beschäftigung" ist nicht auf Geld- oder Zeiteinheiten zu reduzieren. So ist zu fragen, ob sinnvolle ehrenamtliche Tätigkeit zur Sicherung der Funktionen "Sinnstiftung" und "soziale Einbindung" nicht eine stärkere Bedeutung erlangen sollte ? Wie kann der Zusammenhang "gesellschaftlicher Status" - "bezahlte Arbeit" aufgelöst und eine Zweiteilung der Gesellschaft verhindert werden ? Oder "muss man zu leben `verdienen`, um das Recht zu leben zu haben?"1 - wie Viviane Forrester kritisch fragt ? Welche Folgen hat es gesamtgesellschaftlich, politisch, wenn die formalisierte Arbeit immer weiter an den Rand zurückgedrängt wird ? Welche Rolle kommt der Zivilgesellschaft zu ?

Eine Aufwertung der Haushalts- und Gemeinwesenarbeit würde vielen Erwerbslosen und Arbeitssuchenden eine Chance für eine neue Lebenskultur eröffnen. Eine Form des Gemeinwesens, ohne den Staat dabei aus der Verantwortung zu entlassen, könnte entstehen, bei der jeder Beteiligte seine Möglichkeiten einsetzt. Heute steht der Sozialstaat in der Arbeitsmarktpolitik unter Druck, da in dem Masse, wie die Arbeitslosigkeit steigt, auch - bei ohnehin knappen Ressourcen - die Ausgaben der Arbeitslosenversicherung steigen. Daneben stellt sich die Frage, ob der "Umgang" mit Arbeitslosen der Problemlage noch entspricht und ob Betreuung und Vermittlung - sofern sie überhaupt sachgerecht durchgeführt werden - noch auf zeitgemässem Niveau stehen. Trotz dieses Druckes müssen die Arbeitsmarktverwaltungen auch zukünftig ihre Schutzaufgaben erfüllen können. Das soziale Sicherungssystem muss auf eine tragfähige Grundlage gestellt werden. Es wäre zu überlegen, ob nicht der Anspruch an die Arbeit durch eine Grundsicherung kompensiert werden und neben das (traditionelle) Schutzprinzip das Prinzip der Aktivierung treten muss.

Möglichkeiten zur Integration bieten sich über Tauschbörsen an, wie es sie in vielen Städten und Gemeinden bereits gibt. Hier tauschen Bürger miteinander Dienstleistungen aus, je nach Fähigkeiten der einzelnen Beteiligten. Dabei stehen individuelle Fähigkeiten, Anerkennung und soziale Integration sowie Teilhabe an einer kollektiven Leistung - der Organisation des Tauschbüros - im Mittelpunkt. Ähnlich ist es auch bei alternativen Gemeinschaften, die versuchen möglichst autark ihre Arbeit und ihr Zusammenleben - oft auf dem Lande - zu gestalten. Dort bringt jeder in die Gemeinschaft ein, was er an Fähigkeiten besitzt. Die Entfaltung von Kreativität wird möglich sowie die Teilhabe an einer kollektiven Leistung, soziale Integration und Anerkennung gewährleistet sind; abgesehen von den Konflikten, die in jeder Gemeinschaft auftreten können, und dort meistens auch lösbar sind. Hier werden utopische Ansätze für eine Zukunft der Arbeit sichtbar und erlebbar.

 

Arbeit soll ganzheitlich sein

Auch wenn nicht alle Arbeits- und Lebensbereiche von einer Virtualisierung gleichermassen betroffen sind oder sein werden, so ist die Informationsgesellschaft doch in unserem Arbeits- und Lebensbereich verankert. Es gibt nur noch wenige Haushalte ohne Fernsehen und Telefon; in den Betrieben ist eine Arbeit ohne EDV oder Automatisierung kaum noch denkbar. Diese Tendenz wird sich weiter fortsetzen. Verkauft wird den ArbeitnehmerInnen der Einsatz neuer Techniken in den Betrieben als moderne Arbeitsgestaltung, die "Arbeit im weissen Kittel".

Aber sind wir als ArbeitnehmerInnen wirklich zufrieden damit, wie sich diese Arbeitswelt gestaltet ? Können wir damit mehr an individuellen Fähigkeiten und Anerkennung erleben ? Fordern nicht viele ArbeitnehmerInnen, dass ihre individuellen Fähigkeiten stärker anerkannt; vielleicht sogar ihre (darauf beruhenden) Anregungen in einen betrieblichen Vorschlagskatalog eingebracht werden ? Die Gewinne des Unternehmens werden oft ungleich verteilt, so dass von der Teilhabe an einer kollektiven Leistung nicht mehr viel übrig bleibt.

"... der Mensch als freier Besitzer seiner Arbeitskraft. Als gleichberechtigter Partner des Arbeitsvertrags, den er mit dem Kapitalisten schliesst; Auge in Auge, Zahn um Zahn..."2 (E. Bloch) . Häufig steht der Status im Vordergrund und weniger der Ablauf des Gesamtbetriebes. Lohnerhöhungen fallen niedriger aus, mit dem Argument der Unternehmer, teure Maschinen anschaffen zu müssen, womit für die ArbeitnehmerInnen nicht mehr viel an Lohnerhöhung übrig bliebe. Viele ArbeitnehmerInnen - besonders die Älteren - haben dann Mühe, sich mit diesen neuen Techniken zurechtzufinden und eine Qualifizierung findet nicht oder unzureichend statt. In einem Normalarbeitsverhältnis hat man kaum die Chance sich in anderen Tätigkeitsbereichen kundig zu machen, auch wenn mit zunehmender Auflösung dieser Stellen hohe Flexibilität verlangt wird. Es gibt kaum noch ArbeitnehmerInnen, die das gesamte Arbeitsleben in einem Unternehmen, im gleichen Aufgabenbereich verbringen. Und auch wo dieses der Fall ist, wird sich die Arbeitsgestaltung durch beispielsweise die Einführung neuer Medien oder neuer Computerprogramme verändern.

Aber "... sie alle glauben noch an die teils wässrig, teils blutig gewordene Sache: private Wirtschaft. Sie glauben in ihrer prekären Lage zwar mehr steif als fest daran, immerhin sind

sie inwendig noch privat... Sind also sich selber ebenso ein Hemmschuh wie dem Bewusstsein der überfällig anderen, nicht mehr privaten Produktions- und Austauschweise..."3 (E. Bloch).

Oft wird Arbeit erst sinnvoll, wenn man sie ganzheitlich begreifen kann. Je grösser ein Unternehmen ist, desto weniger überschaubar ist es für den einzelnen Arbeitnehmer. "... Die Arbeit ist zudem eintöniger geworden als früher, wo immerhin noch ein ganzes Stück mit Liebe zu machen war... Erwünscht war es von je, aufgezwungene Arbeit abzuschütteln, mindestens die Zeit, die dafür verwendet wird, zu verringern..."4 (E. Bloch). Entsprechend suchen die entfremdeten Arbeitnehmer dann den Ausgleich in einem extensiven Freizeitangebot. Es wird zum Wochenende, zum Urlaub bzw. bis zur nächsten Gehaltsabrechnung hin gelebt. Freizeit kann auch verstanden werden als Reproduktionszeit, um neue Arbeitskraft zu sammeln. "Er bekommt Freizeit nach des Tages Last und Müh, um sich als Maschine zu speisen und zu ölen. Feierabend, Sonntag heissen: Erholung der Arbeitskraft... Was immer mit dem Feierabend angefangen wird... verziert nur den bürgerlichen Zweck: Reproduktion der Arbeitskraft..."5 (E. Bloch). So gibt es Sportvereine und Stammtische, die von Unternehmen angeboten werden. "... Da aber kam die Krise und brachte noch viel mehr kapitalistische Freizeit, nämlich die Erwerbslosigkeit..."6(E. Bloch)...

Psychosoziale Gesundheit als Wirtschaftsfaktor in der Informationsgesellschaft

Welche Utopie der Arbeit ist (in der Informationsgesellschaft) sozial wünschenswert und innovativ ?

"...Eines ist klar: Mit traditioneller Technik, Kapitaleinsatz oder Fachwissen allein geht es nicht. Ein schnellerer Computer heilt keine Krankheit und stärkt auch kein Selbstwertgefühl. Zusätzliches Wissen allein verbessert die Beziehung zu unseren Mitmenschen nicht. Und von mehr Konsum versprechen sich immer weniger Menschen eine lebenswerte Zukunft" - stellt der Zukunftsforscher Leo A. Nefiodow am GMD-Forschungszentrum in St. Augustin bei Bonn fest. Und weiter: "Das Rezept der Zukunft lautet: Um Gesundheit im ganzheitlichen Sinn zu erschliessen, müssen wir unsere Umgangsformen verbessern - unseren Umgang mit anderen Menschen und mit der Natur... Zum ersten Mal rückt der ganze Mensch mit seinen seelischen und sozialen Bedürfnissen ins Zentrum des Wirtschaftsgeschehens.

Ich prophezeie also, dass der Bedarf nach ganzheitlicher Gesundheit den nächsten, den sechsten Kondratieff-Zyklus auslösen wird... Ein Wirtschaftssektor wird sich mit der Reparatur von Umwelt- und Gesundheitsschäden befassen, seien sie naturgegeben oder vom Menschen gemacht. Der zweite Sektor wird etwas ganz Neues versuchen: das bisher kaum erschlossene Potential der menschlichen Seele zu nutzen. Naturwissenschaftler, Mediziner, Psychologen, Soziologen, aber auch Philosophen und Theologen werden dabei zusammenwirken... Immer mehr Menschen entwickeln ein Gespür für die sogenannten weichen Faktoren des Arbeits- und Gemeinschaftslebens. Das wird nicht nur die Menschen gesünder machen. Sondern auch den Wohlstand der Zukunft sichern."7 <Kondratieff-Zyklus: Konjunktur-Zyklus, der durch bedeutende Erfindungen, sogenannte Schlüsseltechnologien oder Basisinnovationen ausgelöst wird.>

Neue Arbeitsformen lassen selbstbestimmteres Leben und Arbeiten möglich werden. Telearbeit beispielsweise macht den Arbeitenden zeitlich und örtlich unabhängiger. Er bestimmt selbst - nach einem festgelegten Arbeitsergebnis - über den Arbeitsverlauf. Dabei kann er betrieblich angegliedert - alternierende Telearbeit - wie auch als Selbstständiger oder Freelancer (bei wechselnden Unternehmen) tätig sein. Diese Arbeitsformen sollten über eine Grundsicherung versichert sein.

Diese Modelle der Telearbeit lassen weiter denken in die Zukunft der Arbeit hinein. So sollte der Arbeits- und Lebensentwurf der auf dem Lande lebenden Gemeinschaft übertragbar sein in den Bereich der virtuellen Möglichkeiten. Integration von Arbeiten und Wohnen in Gemeinschaften auf dem Lande wie in der Stadt, an Telearbeits-orten. Für jedes Gemeinwesen wird eine eigene lokale Verwaltung - entsprechend etwa einer heutigen kommunalen Verwaltung - bestimmt, die kollektiv mit den Einwohnern über die Arbeits- und Lebensbedingungen entscheidet. "...Überall wird "dirigierte Wirtschaft" unvermeidlich, aber der Unterschied ist gerade darin der enormste: ob Monopolkapitalisten oder Produzenten das Subjekt der Organisierung sein werden. Im ersten Fall entsteht Staatskapitalismus oder blosse Funktionsänderung des Privateigentums an den Produktionsmitteln, im zweiten Fall kommt Sozialismus oder Überführung dieses Privateigentums ins wirkliche, nämlich produzierende Kollektiv..."8 (E. Bloch). In einem virtuellen Gewerkschaftshaus, das ebenfalls zur lokalen Verwaltung gehört, wird darauf geachtet, dass ergonomische und psychosoziale Belange verwirklicht und auftretende Konflikte geregelt werden.

Die Telearbeits-orte werden von den künftigen Bewohnern und Fachleuten eigens für ihre Bedürfnisse gestaltet. Dabei wird es keine Grossraumbüros geben, sondern aus ergonomischen Gründen üblicherweise Büros für zwei Personen. Gemeinsam wohnen und arbeiten selbstbestimmt und dennoch kommunikativ und sozial auf gleichberechtigter Ebene in Gemeinschaften, die versuchen möglichst autark ihre Arbeit und ihr Zusammenleben zu gestalten. Dort bringt jeder in die Arbeit und das Zusammenleben ein, was er an Fähigkeiten und Kenntnissen besitzt. Die Entfaltung von Kreativität wird möglich so wie die Teilhabe an einer kollektiven Leistung, soziale Integration und Anerkennung gewährleistet sind. Mit Hilfe der neuen Medien wird hier globales Arbeiten vor Ort möglich. Auch in anderen Regionen, Ländern entstehen solche Gemeinschaften, die sich untereinander - virtuell und über Volunteers - austauschen. Für den reellen Austausch wird ein Austauschprogramm organisiert. Es gibt ein Integrationsangebot - mit Grundsicherung -, das es auch Arbeitssuchenden, Ausländern und Behinderten ... ermöglicht, am Leben dieser Kommunen teilzunehmen. Diese werden als Volunteers eingesetzt und damit auch für eine Mitarbeit qualifiziert. Auf dem Gelände befinden sich pädagogische Einrichtungen, in denen Kinder bereits frühzeitig den sozialen Umgang mit Technik lernen. Über Multimedia tauschen sich Lern- und Arbeitspartner global aus. Im Gemeinwesen werden Arbeitsangebote bekannt- und weitergegeben. An die Stelle von Konkurrenz und Wettbewerbsfähigkeit tritt die Lebensgestaltung des Gesamten. Es gibt ein gemeinsames Konto online und eine Tarifgestaltung, die keine grossen Staffelungen zulässt. Die Einwohner definieren sich ja auch nicht über ihren Status, sondern über ihr gemeinschaftliches Leben. Berücksichtigt wird selbstverständlich die Grösse des Haushalts, der Familie des Einzelnen.

Auf dem Gelände werden Gemeinschaftsräume eingerichtet, wo zusammen gegessen und gefeiert wird, und Meeting-Points in grossen bunten Hallen oder Parks mit Springbrunnen, an denen man seine freie Zeit verbringt. Spezielle Freizeitanimateure, die sich für eine psychosoziale Gesundheit engagieren, finden dort ihre Beschäftigung und lassen sich selbst und alle Beteiligten Kreativität erleben. Es gibt Cafés, in denen auswärtige Besucher empfangen werden. Ergänzt werden die Telearbeit und Qualifizierungsangebote durch kleine Handwerksbetriebe, die für den örtlichen Bedarf produzieren, Gartenbau, Bäckereien... Alles dabei beruht - wie überhaupt das gesamte Leben in diesen Gemeinwesen - auf einem ganzheitlichen Ökologie-/ Nachhaltigkeitsverständnis. Der Umgang mit der Arbeitszeit, die schon durch den Einsatz neuer Techniken reduziert wird, ist abhängig vom Ergebnis der Arbeit, das der gemeinsamen Lebensgestaltung zufliesst. "Die Art und Weise, womit die beherrschten Naturkräfte (Tiere, Menschen, Wind, Wasser, Feuer und so fort) zur Verfügung stehen, zeichnet die Grundlinien vor, womit die Menschen ihr Leben zu produzieren und reproduzieren haben."9 (E. Bloch). Denn "... ein wirklicher Einbau der Menschen (sobald sie mit sich sozial vermittelt worden sind) in die Natur (sobald die Technik mit der Natur vermittelt worden ist)... Verwandlung und Selbstverwandlung der Dinge zu Gütern, natura naturans und supernaturans statt natura dominata... das meinen die Grundrisse einer besseren Welt, was konkrete Technik angeht..."10 (E. Bloch).

Für die Arbeit im Netz wurden regionale Partnerfirmen gefunden, bei denen alternierende Telearbeit möglich ist, denen es aber zuerst darauf ankommt, dass ihre Beschäftigten die Lebensqualität in diesen Gemeinschaften leben. Diese Unternehmen, vor allem aus der Informations- und Umweltmanagement-Branche, verstehen diesen Beitrag als eine Form des Social Sponsoring. Die Unternehmen werden ebenfalls von der Gemeinschaft so ausgewählt, dass sie soziale Arbeitsbedingungen bieten und mit der lokalen Verwaltung kooperieren. Bei Entstehen dieser Telearbeits-orte war es üblich, dass jeder Arbeitende innerhalb von zwei Jahren für ein halbes Jahr an einem betrieblichen Arbeitsplatz ausserhalb des Ortes tätig sein sollte, um den Bezug zum Normalarbeitsleben nicht zu verlieren. Dasselbe gilt heute noch für Lehrlinge und Auszubildende. Auch die virtuelle Kooperation mit anderen Telearbeits-orten wird möglich. Überhaupt gibt es zahlreiche, variierbare Arbeitsangebote, die dem Bedürfnis und Fähigkeiten des jeweiligen Arbeitnehmers entsprechen. Auch ein Wechsel zwischen Arbeit im Handwerksbetrieb und mit Medien wird - über job-sharing oder Praktika - ermöglicht.

Natürlich liesse sich dieses - von mir beschriebene - Bild noch weiter ausmalen. Ich habe mich hier auf einige Aspekte der Arbeitswelt beschränkt.

Ob in einer modernen, zukünftigen Arbeits- und Lebenswelt - jenseits herkömmlicher Produktion und in der Gesellschaft der Information - mit Kenntnis auch von Risikofaktoren der Technologien und der Folgen eines verschwenderischen Umgangs mit Umweltressourcen - so noch gilt, was K. Marx in seiner "Kritik des Gothär Programm" sagte und was E. Bloch in "Das Prinzip Hoffnung" aufgriff, ist fraglich - oder sollte es neu interpretierbar sein: "`...nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis

geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch die Produktionskräfte gewachsen sind und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fliessen - erst dann kann... die Gesellschaft auf ihre Fahnen schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen...` (Kritik des Gothär Programms, Berlin, 1946, S.21)... nur der Marxismus hat die Theorie-Praxis einer besseren Welt veranlasst,..., um sie ökonomisch-dialektisch zu verändern..."11(E. Bloch) ?

Einen ganzheitlichen Zusammenhang zwischen Leben und Arbeiten sollte es - jenseits der herkömmlichen Produktions- und Wachstumsgesellschaft - geben, schon allein weil wir den grössten Teil unseres Lebens arbeitend verbringen. Oft ist es aber so, dass man seiner Beschäftigung, die man zur Existenzsicherung ausübt, entfremdet ist. Sinnvoller wäre es doch, wir alle könnten unsere Kreativität und individuellen Fähigkeiten unter Selbstachtung und Anerkennung sozial in eine ganzheitliche Arbeit integrieren und kollektiv Teilhaben am Arbeitsergebnis. Dann würde Arbeit wirklich ein Teil unseres Lebens werden. Könnte ein Modell wie das oben beschriebene Möglichkeiten dorthin eröffnen ? Wo liegen dabei die Chancen und Risiken ?

"Es gibt keinen inwendigen Drang an sich, etwas zu erfinden. Immer ist ein Auftrag dazu nötig, der Wasser auf die geplanten Räder giesst. Jedes Werkzeug setzt genaue Bedürfnisse voraus und hat den präzisen Zweck, sie zu befriedigen; sonst wäre es nicht da...Und bis heute ist der Erfinder, auch als Träumer, ein praktischer Mann... ohne gesellschaftlichen Auftrag wäre im Geist keines Erfinders, etwas aus innerer Berufung... aufgeblitzt... Ein Erfinder kann nichts Überflüssiges tun, noch hat einer je im Sinn gehabt, es zu planen."12(E. Bloch).

Wie kann der Faktor der psychosozialen Gesundheit bei der Arbeit in der Informationsgesellschaft an Bedeutung gewinnen, bevor wir gezwungen sein werden nach Auswegen zu suchen ?

Tübingen, September 1998

 

 

1 Viviane Forrester: Der Terror der Ökonomie, P. Zsolnay, Wien, 1997, S. 20ff.

2 E. Bloch: Das Prinzip Hoffnung, IV / 42, Suhrkamp, Frankfurt/M. 1985, S. 1041

3 E. Bloch: Das Prinzip Hoffnung, IV / 42, Suhrkamp, Frankfurt/M. 1985, S. 1053

4 E. Bloch: Das Prinzip Hoffnung, IV / 42, Suhrkamp, Frankfurt/M. 1985, S. 1040

5 E. Bloch: Das Prinzip Hoffnung, IV / 42, Suhrkamp, Frankfurt/M. 1985, S. 1062

6 E. Bloch: Das Prinzip Hoffnung, IV / 42, Suhrkamp, Frankfurt/M. 1985, S. 1045

7 Leo A. Nefiodow: Wohlstand durch Gesundheit, in: Das Beste 9/98, Stuttgart, S. 105ff.

8 E. Bloch: Das Prinzip Hoffnung, IV / 42, Suhrkamp, Frankfurt/ M. 1985, S. 1056

9 E. Bloch: Das Materialismusproblem, Suhrkamp, Frankfurt/M. 1985, S. 388

10 E. Bloch: Das Prinzip Hoffnung, IV / 37 II., Suhrkamp, Frankfurt/M. 1985, S. 817

11 E. Bloch: Das Prinzip Hoffnung, V / 55, Suhrkamp, Frankfurt/M. 1985, S. 1621ff.

12 E. Bloch: Das Prinzip Hoffnung, IV / 37 II., Suhrkamp, Frankfurt/ M. 1985, S. 768