Klaus Kornwachs*
Arbeit der Technik - Technik der Arbeit
Einleitung
Der Titel scheint gerechtfertigt zu sein: Wenn man nach den beiden Begriffen Technik und Arbeit fragt, scheint man nur das eine mit dem andern zusammen denken zu können - Arbeit ist heute voll technisiert, Technik spielt sich überwiegend in der professionellen Welt ab. Technik bestimmt, so die landläufige Meinung, über ihre Folgen, die sich in wirtschaftliche, gesellschaftliche, individuelle bis in kulturelle Bereichen hinein erstrecken, zunehmend unsere Lebenszusammenhänge, vielleicht sogar schon unsere Denkstrukturen. Arbeit ist zum Thema geworden, weil sie auszugehen scheint, und zwar deshalb, weil sie durch Technik, wie immer auch verstanden, ersetzt zu werden droht. Arbeitswelt und technische Welt sind eng ineinander verflochten, beide, Technik und Arbeit, wandeln sich so rasch wie nie zuvor. Der Orientierungsbedarf wächst und der Unübersichtlichkeit der technisierten Arbeitswelt steht ein wachsender Rückzug des Willens gegenüber, Technik und Arbeit verstehen und denken zu wollen. Der herrschende Pragmatismus, der eben nicht pragmatisch, sondern eher theoriefeindlich ist, schlägt sich dann in Standortdebatten, Innovationsbeschwörungen, Globalisierungsgeraune und den ritualisierten Tänzen der Tarifparteien nieder: Auf der einen Seite ist die Rede davon, daß wir mehr arbeiten müßten, auf der anderen Seite ist die Rede davon, daß Arbeitszeitverkürzung unumgänglich sei. Bereits Dahrendorf (1982) sprach vom Ende der Arbeitsgesellschaft.
Über Technik und Arbeit nachzudenken, ist also eine gute und notwendige Aufgabe für Technikphilosophen. Ich möchte meine Aufgabe, über Arbeit und Technik nachzudenken, in sechs Schritten durchführen:
1. Der Begriff der Arbeit in der technischen Welt
Es ist bekannt, daß in Konzentrationslagern Häftlinge gezwungen wurden, Steine von einer Ecke des Platzes zu einer anderen zu tragen, um sie dann wieder herüber zuschleppen, bis der erste zusammenbrach, zuweilen wurde er dann gleich erschossen. Wir sehen die Bestrafung (wofür?) und die Qual eines solchen Geschehens neben dem entsetzlichen körperlichen Leiden fast noch mehr in der Sinnlosigkeit der auferlegten Mühsal und des Leidens. "Wer das Warum weiß, erträgt fast jedes Wie", sagte Nietzsche, ein viel mißbrauchter Satz, aber er vermittelt eine wichtige Einsicht: Ohne das Wissen um das Warum wird Arbeit etwas ganz anderes als das, was wir unter Arbeit verstehen, und die Folter und der Terror einer solchen Strafaktion liegt neben der physischen Qual und der psychischen Erniedrigung offenkundig im Entzug des Warum.
Da werden Zwangsarbeiter, also Leute, die man, aus welchen Gründen auch immer, zur Arbeit zwingt, zu Leistungen angetrieben, die ihre physischen und psychischen Kräfte überfordern - ihr Tod wird bewußt nicht nur in Kauf genommen, sondern ist erklärtes Ziel des Arbeitseinsatzes - Vernichtung durch Arbeit. Der Satz: "Arbeit macht frei" stellt in diesem Zusammenhang einen solchen Zynismus dar - er hat jahrzehntelang als Begriffsschock verhindert, über den Zusammenhang von Freiheit, Notwendigkeit und Arbeit nachzudenken.
Da wird von Karioke gesprochen, den Tod durch Überarbeitung in der japanischen Arbeitsgesellschaft - Grund zur Klage bei den einen, Anlaß zu heimlichem Stolz für manchen anderen. Tod durch Arbeit als letzte Erlösung? Die Spielregeln der japanischen Arbeitswelt, für westliche Begriffe wohl so schwer nachvollziehbar wie die Regeln der japanischen Grammatik, lassen eine Bindungsfähigkeit des Individuums an Gemeinschaften erkennen, die uns heute unvorstellbar erscheinen, die aber doch auch in der abendländischen Tradition ihr Pendant haben und sich in der protestantischen Arbeitsethik, scharfsinnig analysiert durch Max Weber (1976), oder der mittelalterlichen ordo finden lassen.
Ich habe drei solche extreme Situationen angeführt, weil sie eine Seite der Arbeit zeigen, die im Kontext unseres Schreis nach Arbeit in der gegenwärtigen Situation der Arbeitslosigkeit vielleicht etwas zu kurz kommt.
Wir haben uns angewöhnt, angesichts des Mangels an Möglichkeiten zur Erwerbsarbeit (das ist es, was man eigentlich mit Arbeitslosigkeit meint) Arbeit als einen intrinsisch guten Begriff zu benutzen - alles ist gut, wenn es nur Arbeit schafft, Arbeitsplätze bringt. Früher war man eher auf Arbeitsverminderung oder Leistungszurückhaltung aus. Der Belastungscharakter der menschlichen Arbeit, ihr Potential, den Menschen Leid, Mühe und Verelendung zu bringen, dringt angesichts der sauberen Fabrikhallen, der Bildschirmarbeitsplätze, der gesellschaftlichen Anerkennung von Arbeit und der moralisierenden Verachtung derer, die draußen sind, nicht ins Bewußtsein.
Arbeit zu haben ist ein Recht, wird gesagt, aber ist es die Mühe, die Last, die Gesundheitsgefährdung, die Vereinsamung, die Entfremdung oder gar Verblödung, die so manche Arbeit mit sich bringt, auf die wir ein Recht haben wollen? Hat sich die Arbeit oder hat sich unsere Auffassung über Arbeit geändert?
Eine Geschichte der Arbeit hier wiederzugeben wäre vermessen. So will ich mich auf eine kurze historische Begriffsskizze beschränken.
Daß Arbeit, insbesondere die handwerkliche Arbeit, in der Antike gering geschätzt wurde, ist bekannt. Das Paradigma des handlungsentlasteten Philosophen schloß zwar nicht aus, daß man die Hervorbringungen des Handwerks nicht geschätzt hätte, aber jede Lohnarbeit, so Aristoteles, beraube das Denken der Muße und gebe ihm eine schlechte Richtung, ja weiter noch, selbst mit den eines freien Mannes nicht unwürdigen Wissensgegenständen solle man sich nur zu einem gewissen Grade abgeben. Hier klingt bereits an, daß Muße als von jedem Zwecke befreite geistige Interesse, vor allem also frei von Notwendigkeit, der Arbeit entgegengesetzt wird.
Aristoteles hat sich aber dennoch intensiv mit Arbeit als Arbeit beschäftigt. In seiner Nikomachischen Ethik unterscheidet er zwei Haltungen, diejenige des Hervorbringens, der poiesiV , und diejenige des Guthandelns, der eupraxia. Die poiesiV hat ein Ziel, nämlich etwas hervorzubringen, was man vom Akte des Hervorbringens abtrennen kann, das Produkt. Dieses Ziel ist, heute würden wir sagen, Instrumental gedacht, das Produkt hat eine Funktion, ist für etwas da, erfüllt einen Zweck, und dieser Zweck ist vom Prozeß des Herstellens unabhängig, er liegt außerhalb der entsprechenden Handlungen. Die andere Haltung, die eupraxia, das hat Handeln, hat sein Ziel in der Handlung selbst, läßt sich also nicht trennen. Hier ist das gute Handeln selbst das Ziel.
Hier klingt bereits eine Unterscheidung an, die sich bis hin in die moderne Kritik der Aufklärung und der kritischen Theorie auswirkt, die Unterscheidung zwischen instrumenteller Vernunft, also einer Vernunft, die sich an Zweck - Mittel Relationen orientiert und die Wechselbeziehung zwischen Mittel und Zweck bewußt oder unbewußt negiert, weil sie auf eine Optimierung des Instruments, der Mittel aus ist, und nicht auf eine ethische Debatte der Zwecke. Die Eupraxia, das gute bzw. angemessen oder vernünftige Handeln, das in sich gut sein soll, finden wir in der praktischen Vernunft bei Kant wieder und in der Moderne bei den Beschwörungen, daß die Wahl der Mittel bereits schon etwas über den Zweck aussage und Zwecke ebenso wie die Mittel zur Disposition zu stehen oder besser, einem Diskurs zu überantworten seien.
Daß philosophische Lebensideale im klassischen Griechenland mit oligarchischer Ideologie getränkt sind, kann man leicht in Platons Staat nachlesen, der Dichter Aristophanes (446-380 v. Chr.) bemerkt spöttisch, daß nur derjenige arbeite, der es eben nötig habe. Sokrates nannte die Muße die Schwester der Freiheit, und die ideale griechische Gesellschaft besteht aus Bürgern (nicht Bürgerinnen), die nicht faul sind, sondern in Muße ihrer Tätigkeit zum Wohle des Staates nachgehen wie das Diskutieren auf dem Marktplatz, das Bekleiden von Ämtern, das Führen von Kriegen, das Aufführen von Dramen und Abhalten von Festen. Klassische Philosophie entstand in einer solchen Klasse der Freiheit und der Muße - zumindest als Leitbild - und sie war, schon aus den Gründen, daß Handwerker und Gewerbetreibende zunehmend in das politische Leben zu diffundieren begannen, antidemokratisch.
Arbeit als Mühsal und Notwendigkeit, der Armut zu entfliehen, wenn es keine anderen Mittel dafür gab, war letztlich Sache der Sklaven, der Unfreien - dieser Topos findet sich bis heute wieder, man muß ihn allerdings, verschüttet unter der Diskussion um die Arbeitsplätze, sorgsam freilegen. Er findet sich in der Tat wieder in der Weise, wie Freizeit propagiert wird - der Urlaub als "die schönste Zeit des Jahres". Arbeit bleibt für die meisten Menschen auf dieser Welt die einzige Möglichkeit, sich den Lebensunterhalt zu verschaffen und wird damit zur - oftmals bitteren - Notwendigkeit. Während dieser Text geschrieben oder gelesen wird, arbeiten Millionen von Kindern unter unwürdigsten Bedingungen!
Die Pflicht zur Arbeit, jenseits einer gewissen Notwendigkeit - unabhängig davon, ob diese eingesehen wird oder nicht - die Pflicht zur Arbeit ist im Hinblick auf das antike Denken eine Unerhörtheit. Der Zusammenprall des hellenisch-römischen Denkens der ausgehenden Antike mit dem jüdischen Denken ("Im Schweiße Deines Angesichts sollst Du Dein Brot essen", Gen. 3,19), das dann nach der Zerstörung Jerusalems überwiegend mit neuem christlichen Gedankengut vermischt und assimiliert in den römischen Kosmos diffundiert, verändert auch die Haltung gegenüber der Arbeit.
Der radikale Missionar Paulus bringt es auf den Punkt: "Der Dieb soll nicht mehr stehlen, sondern arbeiten und sich mit seinen Händen etwas verdienen, damit er dem Notleidendem davon geben kann" (Eph. 4,28). In seiner Anweisung an die Gemeinde fordert Paulus zu einem ordentlichen Leben auf, um niemandem zur Last zu fallen, obwohl es einen Anspruch auf Unterhalt für diejenigen gibt, die der Gemeinde dienen: " ... in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen und ihr selbstverdientes Brot zu essen" (2 Thess. 3.12). Schließlich der klassische Satz: "Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen" (2 Thess. 3,11).
Pflichten sind nur zu begründen, wenn sie über die Einsicht in das unmittelbar notwendige hinausgehen, d.h. Pflichten zu installieren erfordert einen gewissen Wertekanon und eine Institution, die sich darauf berufen kann und die letztlich in der Lage ist, diesen Wertekanon auch mit Sanktionen Geltung zu verschaffen.
Die Stoiker rückten als erste von der Verachtung der Arbeit ab, den Römern galt der Gedanke des Dienstes an der Gemeinschaft als höhere Arbeit - nicht weil sie besonders anstrengend gewesen wäre, sondern weil sie im Dienst einer höheren Sache stand. Erst in diesem Kontext konnte sich Arbeit als Verpflichtung gegenüber einer höheren Sache auch auf Arbeiten niederer Art beziehen. Der Dienst am Reiche Gottes beispielsweise macht nun zwischen dem ersten Diener des Staates und dem Sklaven im Steinbruch keinen Unterschied mehr - alle arbeiten am selben Ziele und die Gemeinschaft sorgt für den Lebensunterhalt. Den Ausdrucks dieses Ideals finden wir in den Mönchsorden wieder, die interessanterweise dann entstanden, als der Kosmos des römischen Reiches auseinanderbrach. Sie bildeten die Keimzelle einer solchen Verbindung von Arbeit und Gemeinschaft, auch wenn die Regel "ora et labora" lautet.
Die Verbindung von Beruf im Sinne von Berufung und Arbeit wird in diesem mittelalterlichen Gedankengebäude ganz eng gefaßt, sie assimiliert aber auch, geschuldet der späten Rezeption des Aristoteles, den antiken Gedanken, daß eine sinnvolle Tätigkeit (bei Platon für den Staat) zu einem geglückten Leben gehöre. Bei Thomas von Aquin verdichtet sich dies zur Behauptung, daß der Tätige sich in seinem Tätigsein erfülle. Der scheinbar so moderne Gedanke der Selbstverwirklichung ist bereits hier schon angelegt, allerdings ist er gebunden an die ordo, die eine Selbstsetzung oder gar Selbstdefinition des Menschen nicht in Betracht zieht. Wer dies dennoch tat, gefährdete sich durch den Verdacht der Ketzerei.
Die Reformation bringt die bekannte Säkularisierung der Berufungsauffassung mit sich, die Rechtfertigungslehre Luthers wird vielerorts nach Indikatoren für das Bestehen der Gnadenwahl abgesucht, und Calvin wird fündig bei der rastlosen Tätigkeit erfolgreicher Kauf- und Geschäftsleute. Es entsteht ein Arbeitsethos, der lange Zeit theoretisch bleibt und nur schwer in die unteren Schichten vordringt: Beamte und Minister klagen im 17. und 18. Jahrhundert darüber, daß unselbständige, ungebundene Arbeiter kaum zur Arbeit zu bewegen seien: Sie kommen nur und arbeiten, wenn sie Geld brauchen, haben sie es, und es reicht eine Weile, dann bleiben sie ganz einfach weg. Verdienen sie einmal mehr, als sie brauchen, so schlagen sie sich den Bauch voll, feiern Feste und werden so bald nicht mehr gesehen (nach Meiser 1998, S. 205).
Schließlich arbeiten doch alle - außer ein paar Müßiggänger; il faut toujour travailler. Der Fürst versteht sich als erster Diener seines Staates, und ein Diener arbeitet unermüdlich. Der Wissenschaftler leistet geistige Arbeit, Kaufleute, Handwerker, ja Kinder - alle arbeiten und müssen arbeiten. Selbst die freie Zeit, die Muße, wird von der Arbeit instrumentalisiert - sie ist Erholungszeit, in ihr ist der Arbeiter verpflichtet, seine Arbeitskraft wiederherzustellen. So etwas kann man bis heute im Arbeitsrecht und in Angestelltentarifen nachlesen.
Die ersten Stimmen werden laut, die von Arbeit als Erfüllung, ja als Lust sprechen, niedrige Arbeit wird als - vielleicht nie zu überwindendes - aber doch Durchgangsstadium angesehen. Wenn Aristoteles meinte, daß wir arbeiteten, damit wir anschließend ruhen, so wird nun die Arbeit zur Quelle des Wohlstandes, die es erlaubt, dereinst weniger mühselig arbeiten zu müssen.
Dies ist nun die entscheidende Wende. Nicht die Natur ist mehr die Quelle der Wertschöpfung, sondern die Arbeit. Arbeit aber ist etwas, was man organisieren, was man aufteilen, delegieren, steuern kann - mit einem Wort, etwas, worüber man in gewisser Weise verfügen kann. Wird Arbeit zur Quelle des Wohlstandes, ist sie, wenn sie steuerbar ist, zwangsläufig auch Teil von Machtverhältnissen, beeinflußt sie Ausübung von Herrschaft und wird beeinflußt durch Ausübung von Macht.
Neben der Gliederung der Gesellschaft als einer arbeitsteiligen Gesellschaft, die schon seit der Antike, man denke nur an Platons dreigeteilten Staat oder den Ständestaat des Mittelalters, dem einzelnen seine Rolle zuweist, tritt nun das Eigeninteresse, das, so die neuen Theorien, nicht nur dem einzelnen nützt, sondern auch der Gemeinschaft. Diese "Entdeckung" findet ihren Reflex in dem Satz Hegels: Meinen Zweck befördernd, befördere ich das Allgemeine, und dies befördert wiederum meinen Zweck." Das Gemeinwohl (bonum communis) wird Inhalt des Gesellschaftsvertrages, die Denkfigur der unsichtbaren Hand entsteht. Dies alles bedeutet nicht nur Verzicht auf unbeschränkte Gewalt und Herrschaft, sondern auch Arbeitsteiligkeit, Aufgabe der unumschränkten Autarkie des Handelns und die gesellschaftliche Bestimmung dessen, was als notwendig zu gelten habe. Dies Aufgabe der Autonomie hat allerdings ihren Preis.
Der neuzeitliche Arbeitsbegriff geht über in den modernen Arbeitsbegriff durch eine zunehmende Kopplung an Eigentum, sozialer Teilhabe und persönlicher Identität.Das ist seine Humanisierung, zugleich aber auch seine Gefährdung. Darauf komme ich bezüglich der Technik zurück.
Eigentum: Wer arbeitet, kann sich mit seiner Hände Arbeit einen Besitzanspruch auf das Geschaffene erwerben. Arbeit ist also eine Möglichkeit (nicht die einzige), um zu Eigentum und zu Besitz zu gelangen. Dieser Besitz kann akkumuliert und vererbt werden - das Arbeiten über das Maß des individuell oder gemeinschaftlich Notwendigen hinaus zielt also auf eine Vorsorge über die eigene Lebensspanne hinaus - unsere Kinder sollen es einmal besser haben. Die Möglichkeiten zum Erwerb von Eigentum ausschließlich durch Arbeit sind jedoch außerordentlich begrenzt. Diese Kopplung von Arbeit und Eigentumserwerb (z.B. durch Lohn und Kauf) wurde geistesgeschichtlich erst spät, nämlich erst in der Aufklärung entdeckt und philosophisch als rechtfertigbar angesehen wurde. Da es andere, offenkundig weniger anstrengende Formen des Eigentumerwerbs gibt, die den meisten Menschen de facto aber verschlossen sind, lassen Zweifel an der Verwirklichungsmöglichkeit von Idealen der Gerechtigkeit und Gleichheit aufkommen, aber sie mindern die Wichtigkeit dieser Entdeckung nicht. Sie liefert letztlich die Grundlage dafür, die Ausbeutung der menschlichen Arbeit nicht mehr länger hinzunehmen.
Soziale Teilhabe: Arbeit ist eine soziale Veranstaltung, sie bedarf der Kommunikation und der Organisation, und damit der Interaktion mit anderen, die arbeiten - das schon vor jeder tayloristischen Arbeitsteiligkeit bis hin in die Atomisierung jeglicher Teilverrichtung. Das Arbeitsleben ist ein erheblicher Teil unseres Lebens, und was alles Arbeit ist oder als Arbeit bezeichnet wird, (sei es, um damit etwas zu erreichen, z.B. Hausarbeit überhaupt erst einmal als Arbeit anzuerkennen, sei es, um den Anstrengungscharakter einer Aktivität deutlich zu machen, z.B. in der Psychologie Beziehungsarbeit) - all diesem schreibt man diesen Charakter der sozialen Veranstaltung fraglos zu.
Zur Teilhabe am sozialen Leben gehört die soziale Rolle, und sie wird durch Anerkennung vermittelt. Diese Anerkennung kann sich, muß sich aber nicht in der Bezahlung niederschlagen - trotzdem ist die Höhe der Entlohnung ein sehr starker Indikator für die soziale Rolle, die jemand spielt, auch wenn die direkte Frage nach den aktuellen Bezügen zumindest in Westeuropa nicht als sehr höflich gilt. Der Begriff der Anerkennung reicht also weiter. Seit Hegel wissen wir, daß eine Bewußtsein immer ein anerkanntes Bewußtsein ist und nach Anerkennung strebt. Anerkennen muß sich das Subjekt aber auch selbst. Erst dadurch wird es sich seiner selbst bewußt und gewinnt Identität.
Identität: Der schon erwähnte Satz von Thomas von Aquin wonach jeder Tätige sich in seinem Tätigsein vollende, hört sich fast sozialromantisch an. Angesichts der Fließbänder und angesichts der zur den Zeiten eines Thomas von Aquin immer noch nicht abgeschafften Sklaverei und Leibeigenschaft mag dies wie ein Hohn klingen, trotzdem ist der Satz richtig: Unsere Selbstfindung ist - zumindest in den industriell orientierten Ländern - und dazu gehörten die meisten Länder des sozialistischen Lagers auch vor der Wende - weitgehend über den Sinn unserer Arbeit vermittelt. Im Mittelalter würde diese Vermittlung den künstlerischen und geistigen Tätigkeiten zugeschrieben.
Die Frage: was willst Du einmal werden? erwartet die Angabe eines Berufs, nicht die Angabe einer persönlichen Charakteristik, ob man ein gütiger, friedenstiftender, helfender oder gar heiliger Mensch werden wolle. Erst die geschichtliche Rolle hebt dann über den einzelnen Beruf hinaus und zeigt an, was einer geworden ist, ansonsten ist er Bäcker, Friseur, Kellner, Hausfrau, Abgeordneter, Rechtsanwalt, Arzt, Hochschullehrer oder Pfarrer geblieben. In den meisten Fällen vermittelt der Beruf die Identität - zumindest ist dies in überwältigend häufigen Fällen das vorherrschende Lebensgefühl in Deutschland.
Identität, also mit uns selbst einig zu sein, uns selbst wiedererkennen zu können, setzt voraus, daß wir uns an unsere eigene Geschichte erinnern können, in der wir uns zwar ändern, dennoch diejenigen sind, die wir immer schon waren. Diese Erinnerung und damit die Möglichkeit unserer eigenen Kontinuität und damit unserer Identität ist immer stark gefährdet, und modern gesprochen könnte man die Entfremdung, die Marx in der produktiven lohnabhängigen, ausgebeuteten Arbeit entdeckt und begrifflich als erster gefaßt hat, so ausdrücken: Wenn wir uns in unseren Entäußerungen, also auch in unserer Arbeit wiederfinden wollen, müssen wir uns auch an unsere Hervorbringungen erinnern können. Entfremdung beginnt dann, wenn das, was gearbeitet wurde, aus dem Sinn- und Erinnerungszusammenhang herausgerissen wird - sei es durch sinnlose Teilaufgaben, deren Einbettung in einen größeren Zusammenhang der Arbeitende nicht mehr zu erkennen vermag, sei es durch die Verweigerung jeder Teilhabe an den diese Arbeit strukturierenden Entscheidungsprozesse. Für Karl Marx gehörte zu dieser Teilhabe bekanntlich auch die Verfügung über die Produktionsmittel.
Die Umgestaltung der Natur durch menschliche Arbeit bis hin zur Leonardo-Welt, wie die Mittelstraß nennt, besser vielleicht - ins Technotop, wie dies Erlach (1998) eingehend analysiert hat, ist ohne Technik nicht denkbar, Arbeit selbst ist immer technisch und Technik hat immer mit Arbeit zu tun. Dennoch sind beide nicht identisch. An einer technischen Universität wird natürlich überwiegend darüber nachgedacht, wie man technische Entwicklungen beschleunigen und den technischen Fortschritt sichern kann - und es wird nicht nur in Kauf genommen, sondern auch als Ziel zu Recht propagiert, daß Technik den Menschen von langweiliger, schwerer, gefährlicher, verdummender, entfremdender und belastender Arbeit entlasten, wenn nicht befreien soll und kann, wenn menschliche Arbeitsleistung durch technische Vorrichtungen und Prozesse ersetzt werden kann.
Zu dieser Entlastung des Menschen, die historisch und faktisch wohl niemand bestreiten wird, und hinter die es wohl keinen Schritt zurückgeben wird, und auch nicht soll, korrespondiert durch den technischen Fortschritt und damit einhergehend einer bemerkenswerten darauf abgestimmten organisatorischen Entwicklung, ein Produktivitätszuwachs, der seit der industriellen Revolution exponentiell ist, und der dies bleiben wird, solange dieser Produktivitätszuwachs einen wirtschaftlichen Sinn macht. Daß dieser wertschaffende Sinn in einer ökologischen Sichtweise fragwürdig werden kann, sei vermerkt - dies führt zu einem anderen Thema, das hier nicht behandelt werden kann.
Mit diesem Produktivitätszuwachs und mit der Universalisierung des technischen Instrumentariums durch die Informations- und Kommunikationstechnologie korrespondiert aber auch eine Veränderung der Kopplung der Arbeit als menschlicher Tätigkeit mit dem Erwerb von Eigentum, und Besitz, mit dem sozialen Charakter der Arbeit und mit der Möglichkeit zur Identitäts- und Sinnstiftung.
Aus dem Beruf wurde im Verlaufe des 20 Jahrhunderts mehr oder weniger ein Job, aus dem Tagelohn ein Gehalt mit vergleichsweise hoher sozialer Absicherung im Falle des Arbeitsplatzverlustes, Krankheit, Invalidität und Alter, und einer starken Einschränkung der Möglichkeit, über Arbeit Sinn zu erzeugen. Der Freizeitforscher Opaschowski (1991) stellte schon in den 80er Jahren fest, daß die Werte, die in der Arbeitswelt vorherrschend waren und sind, wie Fleiß, Pünktlichkeit, Sauberkeit, korrekte Pflichterfüllung, Planungs- und erfolgsorientiertes Handeln, Unterstellung innerhalb einer Hierarchie und Akzeptanz von Aufgabenteilung und - Zuweisung, daß diese Werte in den Freizeitbereich hinein diffundieren - Urlaub, Vergnügen, Vereine und dergleichen werden heute generalstabsmäßig geplant und manch Arbeitnehmer würde die Zumutung an Belastung und Streß, die er bei der Organisation einer Vereinsfete auf sich nimmt, im Arbeitsleben nicht akzeptieren. Umgekehrt diffundieren die Wertevorstellungen aus der Freizeit wie Hedonismus; Spaß haben wollen, Selbstverwirklichung, freie Bestimmung der eigenen Tätigkeit nach Umfang, Belastung und Dauer und weitere freizeitorientierte Vorstellungen in die Arbeitswelt hinein - man spricht von Spaßarbeit, von der Lust an der Arbeit, bis hin zum Workaholic, also zum zur Sucht werdenden Befriedigungsverhalten durch Arbeit.
All das ist ohne Technik nicht vorstellbar und deshalb müssen wir uns nun der Technik zuwenden.
3. Der Begriff der Technik und die Motivation, technisch zu handeln
Der Zusammenhang von Technik und Arbeit scheint, wenn man von der Arbeit her kommt, offenkundig - heutige Arbeit ist ohne technische Mittel gar nicht mehr möglich. Von den Produktivitätszuwächsen durch die technisch-wissenschaftlichen Errungenschaften, wie es so schön hieß, wurde ja schon gesprochen.
Der Zusammenhang zwischen Technik und Arbeit wird aber nicht so bewußt wahrgenommen, wenn man sich von der Seite der Technik nähert. Das Idealbild des deutschen Ingenieurs korrespondiert nicht mit dem Bild und Selbstbild des Arbeiters, die Kopplung von Hand, Herz und Hirn als ein Zusammenwirken von Arbeiter, emotionalem Überbau und Kopfarbeit ist wohl eher nationalsozialistischer Sprücheklopferei zuzurechnen. Der Ingenieur sieht sich eher als einer, der Arbeit steuert, mit seinen Erfindungen auch erleichtert, aber die Erfindungen sind nicht ausschließlich auf die Arbeitswelt beschränkt - Unterhaltung, Spiel, Erholung, Freizeit, Mobilität sind ohne Technik in der heutigen Forme ebenfalls nicht denkbar. Technik scheint also nicht nur auf Arbeit fixiert zu sein.
Um eine Gesamtdeutung moderner Technik geht der philosophische Streit schon lange - fast alle gängigen Ansätze sind durchdiskutiert und bekannt, die Technikphilosophie scheint in einer Spätphase angekommen zu sein, in der eher geschichtliche Aufarbeitung, Klassifizierungen und Rubrizierung der vorhandenen Ansätze als neue Durchbrüche dominieren. Helmut Spinner (1997) spricht von einer konzeptionellen Erschöpfung. Ich bin da etwas anderer Ansicht, weil ich meine, daß wir Technik vor allem vor dem Hintergrund der neuen Informations- und Kommunikationstechniken noch gar nicht richtig verstanden haben.
Technik als eine Tätigkeit, die Artefakte herstellt, sie verwendet, verbessert, mit ihnen handelt oder durch sie handelt, ist die geläufige Umschreibung. Diese Artefakte sind im klassischen Paradigma der Technikphilosophie seit Ernst Kapps Buch über die "Grundlinien einer Philosophie der Technik" (1877) vor nunmehr 121 Jahren Werkzeuge. Diese Werkzeuge entstehen, so Kapp, durch Organprojektion, eine These, die später von dem Chemiker und Philosophen Hans Sachsse (1978) zur These der Exteriorisierung ausgeweitet worden ist: Das Feuer exteriorisiert die Funktion der Nahrungserschließung im Magen, der Pfeil den Arm, der Acker den Weg des Jägers, das Rad die Fortbewegung und so fort, d.h. all das, was der menschliche Organismus und Geist vermag, wird durch Maschinen, Instrumente Werkzeuge, Artefakte etc. nach außen verlagert und dort schrittweise verstärkt und optimiert. Damit wird Technik zum Verstärker von Funktionen des Menschen, seiner erwünschten wie unerwünschten, seiner kreativen wie zerstörerischen Fähigkeiten. In dieser Denkweise ist auch die Behauptung von der ethischen Neutralität der technischen Mittel angelegt.
Organprojektion, Exteriorisierungshypothese, vielleicht auch die Vorstellungen Arnold Gehlens (1957) über das Mängelwesen Mensch, das durch Technik ausgleicht, was zum Leben und Überleben fehlt, Technik als Prothetik, als der Prothese, die vor-gestellt wird zwischen Mensch und zu Bewältigendem, - diese Vorstellungen über Technik beruhen auf Analogieschlüssen, und wir wissen, schon aus wissenschaftstheoretischen Gründen, daß man bei der Übertragung von Funktions- auf Strukturanalogien und umgekehrt die meisten Fehler begeht.
So sind auch diese Vorstellungen mit Recht kritisiert worden, denn es gibt Funktionen, die spät oder gar nicht exterioriert oder projiziert worden sind und es gibt technische Hervorbringungen, zu denen es keine menschliche Organe oder deren funktionale Fähigkeiten als Pendant gibt.
Die Technikphilosophie hat sich, neben einigen Schulen, in zwei Lager gespalten - das eine Lager versucht deskriptiv zu beschreiben, wie Technik entsteht, wie sie verwendet wird, also die Herstellungs- und Verwendungsprozesse sowie die Struktur und Funktion der technische Mittel. Zu dieser Richtung kann man die analytische Technikphilosophie Rapps (1978), den systemtheoretischen Ansatz von Ropohl (1979, 1991) und die wissenschaftstheoretischen Untersuchungen zur Struktur technischen Wissens zählen (Bunge 1967). Zu einer anderen Richtung gehören Untersuchungen über die anthropologischen Voraussetzungen von Technik im materialen Sinn (Technik als Inbegriff der Artefakte und ihrer Verwendung) wie im formalen Sinne (Technik als Geschicklichkeit). Technik wird hier verstanden als ein Humanum, als etwas, was der Mensch nicht umhin kann zu tun, weil menschliches Handeln genuin technisches Handeln sei. Eine Bestimmung des Wesens der Technik ist dann auch immer mit der Festlegung einer bestimmten philosophischen Anthropologie verbunden.
Wichtig in diesem Zusammenhang, eben auch mit Arbeit, erscheint mit eine Bestimmung der Technik zu sein, die davon ausgeht, wie wir technisch handeln. Die Struktur einer technischen Handlung kann man beschreiben als eine Handlung, die sich eines Mittels bedient, und dieses Mittel wird aufgrund eines bestimmten Wissens benutzt.
Die Motivation zu einer solchen Aufklärung kann zweierlei sein, einmal eine handlungstheoretische, und einmal eine wissenschaftstheoretische.
Der Zusammenhang sei kurz skizziert.
Wenn A -> B gilt, was man interpretieren kann als, Wenn A gegeben ist, erzeugt es B, und wenn B gewünscht wird, sollte man A versuchen (pragmatischer Syllogismus). Etwas anders formuliert kann man auch sagen: Wenn man nur mit A das Ziel B erreichen kann, und B ist das Ziel, dann muß man A tun (praktischer Syllogismus).
Der praktische Syllogismus und der pragmatische Syllogismus, der sich aus einer solchen handlungstheoretischen Analyse ergibt, zeigt zwar, in welchen Strukturen die Überlegungen, die zu technischem Handeln führen, eingebettet sein könnten - sie sagen aber nichts über die Motivationen und Antriebe aus, technisch zu handeln. Das bloße Wissen und der Zweck alleine, sind zwar für ein analytisches Verständnis ausreichend, nicht aber für das Realverständnis vorhandener Technik. Denn die vorliegende Analyse geht ja davon aus, daß die Wahl des Mittels aus dem vorhandenen Wissens durch einen rationalen Prozeß geschieht. Dieser Rationalitätsverdacht ist, wenn man gegenwärtige Technik ansieht, man denke nur an Produkte der Unterhaltungsindustrie, nicht immer gerechtfertigt.
Man sieht auch aus der Analyse, die hier nicht ausführlich dargestellt werden kann, daß weder der praktische noch der pragmatische Syllogismus ein beweisbares Theorem in einem deontischen Kalkül darstellt, sondern daß nur die negativen Ausdrücke Theoreme sein können unter Hinzunahme von bestimmten weiteren Annahmen. Eine Konsequenz ist, daß der analytische Kalkül unser technisches Handeln lediglich so darstellen kann, daß wir, wenn wir etwas erreichen wollen, in der Regel alles tun um zu verhindern, daß das nicht geschieht, was wir nicht wollen. Da die Möglichkeiten zur Negation immer reichhaltiger sind als die Position, oder, wie Bochenski das einmal nannte, die Welt voller Nichtelephanten ist, ist es auch klar, daß eine analytische Beschreibung von Technologie auf den Umstand führen muß, daß wir wesentlich mehr verhindern oder falsch machen können, als direkt unseren Wünschen entsprechend zu handeln und zu bewirken. Dieses Resultat bestätigt in gewisser Weise auch die Auffassung von Carl Friedrich von Weizsäcker (1977), daß Technik nicht Herrschaft über die Natur, sondern lediglich Herrschaft in der Natur bedeute.
Hinzu kommt, daß die Motivationsstrukturen technischen Handelns andere sein können und in der Regel auch sind, als lediglich Zwecke, die als Schlußsatz in einem Wenn-Dann Satz, der einen technischen oder naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeit darstellt, in die Tat umzusetzen.
So darf als weiteres Motiv, technisch zu handeln, gelten: der Kampf, das Spiel, die Neugier, auch des Wissenschaftlers, das Errichten und Verteidigen von Machtverhältnissen, die Naturbeherrschung (hier gilt in gewisser weise der praktische Syllogismus, weil er doch eine Denkfigur aus der Naturwissenschaft darstellt), Erleichterung von Arbeit bis hin zu ihrer Ersetzung, Akkumulation von Reichtum und manch andere - die Liste ist nicht vollständig.
Wir müssen also, wenn wir Technik verstehen wollen, von der Auffassung wegkommen, der auch die Ingenieurswissenschaften zuweilen anhängen, daß Technik lediglich eine Art degenerierter, weil eben bloß angewandter Naturwissenschaft sei.
Wenn Technik als Inbegriff des instrumentellen Handelns angesehen wird, so gibt es im Spiel, im Kampf, bei der Neugierde oder Wissensbeschaffung, bei Ausüben von Herrschaft noch andere Instrumente, als sie bei der Naturbeherrschung üblich sind. Wir dürfen uns technische Artefakte also nicht nur als Apparate und Maschinen vorstellen, sondern auch als Methoden, Verfahren, politische und soziologische, wirtschaftliche und organisatorische Instrumente, die Handlungsweisen darstellen, die ebenfalls als Artefakte gelten können, weil sie bewußt entwickelte Handlungsweisen darstellen.
Wir sprechen ja auch von Sozialtechnikern, Techniken von Herrschaft und macht, Technik der Gestaltung, der Organisation etc. bis hin zu "Liebestechniken".
3. Der Unterschied zwischen Arbeit und Technik
Was heißt Arbeit denken?
Es ist zwar richtig, wie ich oben gesagt habe, daß Technik nicht ohne Arbeit und Arbeit ohne Technik nicht zu denken sei, das heißt aber noch nicht, daß diese Begriffe sich auf den gleichen Gegenstand bezögen, also koextensiv seien. Die Gemeinsamkeiten von Technik und Arbeit, oder genauer, von technischem Handeln und arbeiten, sind sehr vielfältig und verführen zu einer Gleichsetzung der Begriffe.
So ist Arbeit, wie schon Karl Marx in seiner berühmten Stelle mit Arbeiter und Spinne hingewiesen hat, auf Planung und Ziel aufgebaut, sie antizipiert das Ergebnis. Dies ist bei der Technik, jedenfalls in der oben genannten analytischen Darstellung, natürlich ebenfalls der Fall. Marx charakterisierte die Arbeit als das, was den Menschen zum Menschen erschaffe, der Mensch als Gattungsweise eigne sich durch Arbeit Naturstoffe zur Aufrechterhaltung des Stoffwechsel an, dabei zeigt sich die Natur widerständig. Der Mensch ist aber das einzige Gattungswesen, das sein Reproduktionsbedingungen selbst schaffen muß, dadurch ist er herausgehoben, dadurch gestaltet er Geschichte, auch wenn Geschichte selbst, in Übernahme der Hegelschen Auffassung, eine Gesetzmäßigkeit aufweist, die ihren Verlauf zwangsläufig bestimmt.
Viele sind versucht, selbst wenn sie Marx nicht kennen, und bei westlichen Ingenieuren ist dies überwiegend der Fall, genau diesen Gedanken auf die Technikentwicklung zu übertragen und Technikentwicklung für etwas zwangsläufiges zu halten, weil ja Technik verlängerter Naturwissenschaft ist, und der Fortschritt in der immer weiteren Erschließung der Natur zur Indienstnahme durch den Menschen bestünde. Dieser auf Geschichtsdeutung oder Hoffnung aufgebaute Fortschrittsgedanke ist weitgehend obsolet geworden, was jedoch noch nicht überall bemerkt worden zu sein scheint.
Arbeit und Technik sind aber nicht koextensiv, auch wenn sie eng gekoppelt sind, zumindest aus dem Blickwinkel unserer heutigen technisierten Arbeitswelt und der Überzeugung, daß Betreiben und Herstellen von Technik nur in der Arbeitswelt selbst als möglich erscheint. Der Unterschied wird jedoch schnell an einem Beispiel deutlich:
Die Motivationsstrukturen für Technik und Arbeit sind völlig unterschiedlich. Technik wird gebaut, benutzt, vernichtet, entsorgt, gebraucht im Rahmen zweckhaften Handelns, aber auch instumentellen Handelns, aber auch für Spiel, Sport und Spaß.
Die Motivationen des technischen Handelns sind am Zweck orientiert, wie instrumentelles Handeln; poiëtisches Handeln, Hervorbringung von Artefakten; Ausübung von Macht (Herrschaft), aber auch die Muse und das Spiel bedienen sich einer Zweck Mittel Relation. Technik ohne Willen gibt es nicht, technologisches Wissen ist präskriptiv. Wer Technik herstellt, betreibt, benutzt, verwendet - will etwas. Wer arbeitet, muß etwas.
"Das Spielzeug entspricht der Sachbezogenheit der Arbeitsaufgabe, die Spielsphäre aus Spielfeld und Spielregeln den Arbeitsverhältnissen samt Arbeitsraum und Arbeitsbedingungen sowie den vertraglichen Regelungen. Die Spieldynamik könnte genauso gut den Arbeitsrythmus kennzeichnen und die Voraussetzung zur Arbeitsmotivation bilden (Eichler 1979 S. 40f.). Die Arbeit kann also durchaus Spielcharakter besitzen. Damit bleibt sie aber trotzdem noch von der Arbeit unterschieden, wenn man mit Buytendijk den ´Funktionswandel durch fixierende Vorgänge´ als Kriterium annimmt. Demnach geht aus dem ´reinen Spiel´ durch Fixierung und Ausarbeitung immer detaillierterer Regeln und Hinzufügung der Zielsetzung ´einer maximalen Leistung oder einer Vollkommenheit in der Ausführung der Bewegung selbst´ schließlich Sport hervor (Buytendijck, 1933 S. 48). Diese Genese könnte man zwanglos bis zur Arbeit fortsetzen und ´natürlich bleiben einige Spielmerkmale mehr oder weniger erhalten´ (ebd.). Die ideologische Grenze ist hier also ein formaler Übergang zunehmender Verregelung der entsprechenden Lebenssphäre. So gelangt man vom reinen Spiel über das sportliche Spiel zum Arbeitsspiel." (Erlach 1998, S. 91)
Technik lediglich in Verwendung, Gebrauch und Erstellung technischer Artefakte, Werkzeuge, Maschinen, Systeme, zu sehen, ist daher eine leichtsinnige Verkürzung - ihr selbstmotivierender Charakter hat zuweilen Züge des Spiels, und damit auch der Arbeit, aber sie ist weder mit Spiel noch mit Arbeit identisch: Technik erzeugt Technik, Arbeit tendiert zur Selbstaufhebung, Spiel will, wie alle Lust, Ewigkeit.
Mit etwas Hang zur Systematik ist man versucht, tabellarisch den Unterschied so zu fassen (vgl. Tabelle 1).
Wir haben bisher Arbeit und Technik aus der Begriffsbestimmung heraus analytisch zu trennen versucht, vielleicht ach in der Hoffnung, daß anhand dieser Analyse klar wird, wo Gestaltungsmöglichkeiten für Arbeit und Technik liegen könnten.
Der Belastungscharakter der Arbeit ist ja nicht durch die neuere Entwicklung aufgehoben, wenngleich die Tendenz zur Erleichterung unübersehbar ist - wie auch in anderen Bereichen des menschlichen Lebens, nicht nur der Arbeit.
Charakterisierung Tätigkeit Ergebnis |
Arbeit arbeiten |
Technik griech: technein, Technik betreiben |
Klassische Definition |
planorientierte Handlung mit Belastungscharakter (Widerständigkeit) |
zielorientierte Bewirkung durch instrumentell vermitteltes Handeln |
Zweck, Ziel | Notwendigkeit der Aneignung von Naturstoffen zur Aufrechterhaltung des Stoffwechsels und der Reproduktionsbedingung der Gattung |
Spiel Sport Unterhaltung Kommunikation Produktion Macht |
Handlung | zweckorientiert (materiale, immateriale Zwecke) | poiëtisch, hervorbringend |
Gegenstand |
Arbeitsgegenstand = zu bearbeitendes Objekt vorgängig immer vorhandenes
|
Vorhandenes in Zuhandenes, Zuhandenes in Vorhandenes (irreversible Technik) Zuhandenes in anderes Zuhandenes |
Analogie |
Herstellung Zerstörung Umwandlung |
Herstellung Entsorgung Transformation |
Wissen, das zur Handlung notwendig ist |
praktische Syllogismus notwendige Bedingung |
pragmatische Syllogismus hinreichende Bedingung |
Trennung von Ziel und Handlung |
in sich notwendige Handlung gute Handlung |
Trennung ja, auch nicht als Herstellen guter Handlungen, diese kommen nach dem Herstellprozeß der Bedingungen |
Mögliche Handlungen | was kann man tun | was kann man herstellen, erzeugen, bewirken |
Tabelle 1: Arbeit und Technik im Vergleich
Die in den siebziger Jahren einsetzende Kritik an der Technik verwies ostinat auf den Belästigungs- und Entfremdungscharakter moderner Technologie. Sie sprach davon, daß sich die Technik zwischen den Arbeitenden und seinen Arbeitsgegenstand schöbe, zwischen Natur und ihre Wahrnehmung, sie griff ihren vermittelnden wie substituierenden Charakter an und forderte, daß Arbeitsgestaltung nicht von Technik dominiert, determiniert oder überformt werden solle - man sprach von Humanisierung der Arbeit und gleichzeitig von menschengerechter Technikgestaltung. Das war jedoch immer noch reichlich instrumental gedacht.
Diese Euphemismen sind weitgehend aus der Debatte verschwunden, denn die Arbeitsinhalte haben sich nicht nur durch Technisierung geändert, sondern sind zum Teil komplett ersetzt worden. Neue soziotechnische Systeme haben Berufs - und Rollenbilder verändert, Strukturen aufgelöst und neue geschaffen, und man spricht wieder, wie bei den Weberaufständen, daß die Technik dem Menschen die Arbeit und damit das Brot wegnähme.
Das ist teils richtig, teils falsch. Also müssen wir genauer hinschauen.
4. Technik der Arbeit
Was muß man tun, um arbeiten zu können? Man braucht bezüglich der Arbeitsaufgabe die notwendigen Arbeitsmittel. Der praktische Syllogismus drückt aus, daß die Mittel technische sein können, wenn das nötige Wissen dazu bereits "zuhanden" ist, denn Wissen ist immer erworbenes Wissen.
In welchen Fällen ist Herstellen eines Artefakts Arbeit? Ein negatives Beispiel wäre der Künstler, wenn man ihm unterstellt, daß er der all seine Kunst hervorbringt ohne äußere, aber vielleicht mit innerer Notwendigkeit. Von Vermarktungszwängen sehen wir jetzt einmal, rein akademisch gesprochen ab. Die vielzitierte Spinne (Marx a.a.O.) baut ihr Netz, ebenfalls ein Artefakt, das Instrumental benutzt wird, instinktiv - aber schon beginnt der Begriff Artefakt bei dieser Betrachtung unscharf zu werden - die Trennung zwischen Künstlichem und Natürlichem ist außerordentlich schwierig, zuweilen unmöglich. Ein weiteres Beispiel, bei dem die Herstellung von Artefakten möglicherweise keine Arbeit darstellt, wäre die Vorbereitung eines Spiels, aber nur dann, wenn das Spiel Spiel bleibt und nicht den Übergang zum "Arbeitsspiel" nimmt.
Das Herstellen eines Artefakts wäre aber dann als Arbeit anzusehen, wenn das Artefakt notwendig ist oder wir uns in einer Situation befinden, in der wir Erstellung Gebrauch und Zerstörung von Artefakten als notwendig ansehen. Was aber ist notwendig? Seit alters her ist der Begriff zweideutig.
Logisch gesehen ist eine Aussage notwendigerweise wahr, wenn das, was in der Aussage ausgesagt wird, jetzt oder in Zukunft mindestens einmal der Fall ist oder sein wird. Im normativen Sinne hingegen bedeutet Notwendigkeit, was getan werden muß, um ein Gut zu erreichen, einen Wert zu erfüllen, einer Pflicht genüge zu tun. Man unterscheidet zwischen einem moralischen Sollen (moral ought), das sich als notwendige Pflicht aus anderen, begründeten normativen Aussagen ableiten läßt, von einem technischen Sollen (technical ought), das im praktischen Syllogismus angelegt ist und besagt, daß wenn man B errechnen will, und dies nur durch A bewerkstelligt werden kann, man dann zur Maßnahme A greifen muß (technical ought).
Notwendigkeit hängt also davon ab, was wir als ein zu Erreichendes glauben, ansehen zu müssen. Greift man hierzu auf anthropologische Bedürfnisstrukturen zurück, findet man sich im Bereich der menschlichen Notwendigkeit, der Arbeit, wieder.
Man kann diese Notwendigkeit aber auch kontextuell fassen als eine von außen gesetzte, nicht notwendige Bestimmung in einer inneren Situation, die dort im Laufe der Zeit zur Notwendigkeit wird. Zur Verdeutlichung sei das Beispiel des Herstellen von Spielbedingungen genannt - wenn man sich einmal auf die Spielbedingungen aus nicht notwendigen Gründen irreversibel eingelassen hat, dann wird das Herstellen dieser Bedingungen notwendig und damit Arbeit.
So ist Fußballspielen wohl nicht gerade notwendige Arbeit, aber es kann zur Arbeit werden und ist in unserer Gesellschaft ja auch zumindest zu einem erheblichen Wirtschaftsfaktor geworden. Ein Wirtschaftsfaktor allein ist zwar nicht immer zwangsläufig mit Arbeit verbunden, aber ab einer gewissen Professionalisierungsstufe vermuten wir eben doch Arbeit dahinter. Nun ist Fußball vielleicht etwas, was den Bedürfnissen vieler Menschen entgegen kommt. Sieht man es als notwendig an, aus normativen oder ökonomischen Gründen, diesen Bedürfnissen entgegenzukommen, werden alle Vorbereitungen hierzu zu Arbeit. Diese Arbeit ist technisch vermittelt, da sie Artefakte, Organisation und Kommunikation herstellt, verwendet und ggf. auch rückgängig macht (z.B. entsorgt, auflöst etc.).
Technik der Arbeit heißt dann, daß sich die Arbeit der Technik bedient, dadurch aber selbst einen technischen Charakter annimmt. Technik kann scheitern. Damit nimmt die technisierte Arbeit auch Merkmale des Fehlers, der Vergeblichkeit und der Unmöglichkeit annimmt. Dieses Annehmen technischer Merkmale verstellt oft den Blick darauf, daß Arbeit ebenso Kommunikation, Kontrolle, Teiligkeit und Machtstrukturen beinhaltet und daß die Grenzen zum Spiel fließend sind. "Technik ist machtschlüssig".
Die Technik, die sich der Arbeit bedient, ist keine besondere Technik, sondern eben alles, was gebraucht werden kann im Rahmen der Arbeitsaufgaben. Aber wenn Technik im arbeitenden Sinne eingesetzt wird, bekommt sie den Charakter des Seriösen, des Professionellen - kein Spielkram eben oder Hobbytechnik. Die Arbeitswelt heiligt sozusagen die in ihr zugelassene, entstandene oder erzeugte Technik im nachhinein, sie rechtfertigt sie und gibt ihr einen höheren Rang. Spielkram ist denn auch die verächtliche Bezeichnung unserer Ingenieure für Technik, die nicht professionelle Verwendung findet.
Der Überhöhung der Technik entspricht die angesprochene Kopplung der Arbeit zu Status, Eigentum, sozialer Teilhabe und Identität. Das geht soweit, daß sich das Selbstwertgefühl von Technikern und Ingenieuren darauf konzentriert, in der Arbeitswelt eine ganz bestimmte Technik zu benutzen oder mit ihr umgehen zu dürfen. Auch der Normalbürger ist von solchen Versuchen, eine gewisse Bedeutungserhöhung durch High-Tech zu erreichen, nicht ganz gefeit - man denke nur an die seltsamem veränderten Verhaltensmuster beim Betreten eines Fernsehstudios oder eines Kernkraftwerkes.
Der Umgang mit Technik verlangt, vor allem im Arbeitsbereich, bestimmte Qualifikationen. Bildung, Ausbildung Zertifizierung und damit Erlaubnis zur Berufsausübung sind gerade in Deutschland enger gekoppelt als anderswo. Diese Qualifikation wird bei zunehmender Technisierung der Arbeitsinhalte (sprich Delegation von Arbeitsschritten und - aufgaben an soziotechnische Systeme, die Arbeitsinhalte mechanisieren, automatisieren, informatisieren, vielleicht später biologisieren und kognitivieren können) immer abstrakter, die Begabungen und Lernmöglichkeiten wachsen aber nicht so rasch (z.B. durch nationale Bildungs- und Traineeprogramme) wie der technologische Wandel. Es entsteht eine Qualifikationslücke.
Die These vom "Mismatch" auf dem Arbeitsmarkt bezieht sich auf die Technik in der Arbeit. Unter ökonomischen Kriterien der Erfüllung einer Arbeitsaufgabe zur Herstellung eines am Markt verkäuflichen Produkts unter minimalen Kosten ist nicht das Arbeitsverhältnis (vulgo Arbeitsplatz) das Ziel, sondern die optimale Erfüllung der Arbeitsaufgabe, da Produkte auf dem Markt zu möglichst geringen Gestehungskosten abgesetzt werden sollen. Die Technisierung der Arbeit wird deshalb solange voranschreiten, solange sie sich bei den obwaltenden Randbedingungen ökonomisch rechnet und wir diese ökonomischen Maßstäbe akzeptieren.
5. Arbeit der Technik
Durch technische Hervorbringungen delegieren wir Arbeit an Artefakte. Wie ist das möglich und wie funktioniert das?
Das Gerät oder die Maschine bearbeitet den Arbeitsgegenstand. Wir müssen nicht mehr Kraft applizieren, die Widerständigkeit de Natur verschiebt sich von der stofflichen Widerständigkeit (z.B. Härte des Material, Schmutz, Gefahr) in die Widerständigkeit der Steuerung eines Prozesses, den die Maschine realisiert oder welcher der Maschine zugrunde liegt. Die Maschine und deren Organisation zu steuern oder ihr die Steuerung durch eine Metasteuerung selbst zu überlassen (Automatisierung) bedeutet die Widerständigkeit der Kopfarbeit - hier widersteht die formale Struktur dem Durchdacht werden, Abstraktion ist anstrengend. Interessanterweise spricht die Informatik von Arbeitsspeicher, Arbeitsschritten, Anweisungen, Befehlen, Operationen etc. Technik hat einen Erleichterungspotenz für Arbeit, sie verlagert die Widerständigkeit von der Hand in die Kopfarbeit, aber sie ist noch nicht Arbeit selbst, obwohl sie, im Kontext der Arbeit angewandt, Arbeitsschritte reduziert, eliminiert, substituiert.
In der klassischen Bestimmung der Arbeit müßte ein technisches System, das arbeitet, nicht nur Ziel, Plan und Notwendigkeit selbst bestimmen, was einem subjektbestimmten Willensakt entsprechen würde, auch die Wahl des Arbeitsmittels und die Durchführung wäre dem technischen System anvertraut. Nun ist letzteres ja leicht zu bewerkstelligen, denn durch die Automatisierung und Computerisierung optimieren diese Systeme sich anhand gewisser vorgegebener Sollgrößen selbst.
Die selbständige Erzeugung von Sollgrößen und ihre Rechtfertigung in Handlungszusammenhängen haben wir jedoch bis heute noch nicht an eine Maschine delegieren können oder wollen.
Um zu verstehen, daß und wie Technik "arbeitet", gehört eine Bestimmung dessen, was notwendig ist, ja einer Einsicht in den Bedarf. Obzwar Bedürftiger in jeder Hinsicht, scheint allein der Mensch darin frei - er kann verzichten und fordern, Ziele setzen und verwerfen, er kann Bedürfnisse artikulieren oder vorläufig ihre Befriedigung zurückstellen.. Nicht "Arbeit macht frei", sondern Freiheit ist Voraussetzung für Arbeit. Nun wird die Forderung verständlich, daß Selbstbestimmung bei der Arbeit am ehesten der Gefahr der Entfremdung und Enteignung begegnen kann. Hier liegen ja auch die elementaren Forderungen in der Geschichte der Arbeiterbewegung.
Ob Roboter eines Tages in diesem Sinne werden arbeiten können, als Repräsentanten einer Arbeit der Technik, hängt einmal davon ab, ob sie mit einem Subjektcharakter ausgestattet sein werden oder ihn entwickeln können und zum anderen, ob wir das überhaupt wollen. Jenseits der Frage nach der technischen Machbarkeit menschlicher Arbeit müssen wir entscheiden, ob wir das Humanum der Arbeit endgültig an eine Maschinerie delegieren wollen.
Fest steht, daß sich die herkömmliche Arbeit verändern wird - sie verändert sich dank der Technik, sie verändert aber auch die Technik selbst und diese wechselseitigen Veränderungen sind auch in wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen begründet.
Die Kopplung von Arbeit mit Eigentum, sowie Teilhabe und Identität bekommt durch die Technisierung der Arbeit und durch die Möglichkeit, von Arbeit der Technik zu sprechen, eine neue Qualität. Meine Prognose ist: Diese Entkopplung wird weiter voranschreiten und wir müssen uns die Konsequenzen dieser Entkopplung klar machen.
Schon jetzt ist Arbeit von Eigentumserwerb durch drei Mechanismen zum Teil entkoppelt: Die erste und älteste Methode ist Erben und Rauben. Lassen wir das Letzte unerwähnt, so werden, wie der SPIEGEL schreibt, schätzungsweise 2 Billionen DM in diesen Jahren vererbt. Die zweite Möglichkeit besteht darin, bei vergleichsweise geringem Einsatz durch Teilnahme an Börsengeschäften kurzfristig Geldsummen durch Gewinne zu erwerben, die das gesamte Lebenseinkommen eines mittleren Beschäftigen in den Industrieländern bei weitem übersteigen kann, ohne an der produktiven Arbeit teilgenommen zu haben. Diese Möglichkeit mag Neidgefühle oder Verbitterung auslösen - diese Gefühle lösen das Problem aber nicht. Vor allem hilft es nicht, in diesem Falle die Nicht-Arbeit zu moralisieren, denn wir moralisieren ja nur die mangelnde Anstrengung.
Die Arbeitslosenversicherung und Sozialversicherung hat jetzt schon eine Höhe erreicht, die zwar immer noch als beschämend niedrig empfunden wird (vor allem wegen den damit verbundenen administrativen Demütigungen), die aber bereits jetzt schon einem Bürgergehalt, einer negativen Steuer oder einer Grundversorgung auf niedrigem Niveau entspricht. Das bedeutet, daß - als dritte Variante - eine rein konsumptive Lebensmöglichkeit ohne die Notwendigkeit der Teilnahme am Arbeitsprozeß bereits heute schon besteht - oder wieder besteht, wenn man den Adel als eine besonders durch vom Volke erworbenen Mehrwert alimentierte Klasse ansehen will. Dies soll kein Zynismus sein - die Einkommensunterschiede sind mir wohl bewußt und sie machen auch die entscheidende Qualität der Lebensweisen aus.
Die Verteilung der Arbeit im Sinne von Teilhabe und Einkommen wird zunehmend als nicht gerecht empfunden. Für die einen ist der Job die Erfüllung, von dem sie nicht genug bekommen können, solange sie drin sitzen - und sie arbeiten 16 Stunden am Tag, mit Überstunden und entsprechendem Gehalt. Die anderen haben Kurz- oder gar keine Arbeit. Die sehr traditionell orientierten Gewerkschaften haben erst in den letzten Jahren die Arbeitslosen entdeckt - bisher waren sie Interessenvertreter derjenigen, die Arbeitssystem drin sind, weniger derjenigen, welche sich außerhalb des Erwerbsarbeitssystems befinden.
Allerdings sind die Besserverdienenden und so mit Arbeitsmöglichkeit Ausgestatteten in der Regel auch die höher qualifizierten Arbeitnehmer oder Selbständige - wobei auch heute ein Studium, wie wir wissen, keine Garantie für eine Anstellung ist, und mehr als 60% der Versuche, in die Selbständigkeit zu gehen, nach kurzer Zeit scheitern, um dann mit mehr oder eher weniger Chancen wieder auf dem Arbeitsmarkt zu landen.
Mit der Einführung der Billigjobs wird ein Effekt eingeführt, mit dem auch damals die versteckte Arbeitslosigkeit in der DDR zu bewältigen versucht wurde: Statt einem Liftfahrer gab es eben zwei, statt zwei Pförtner vier. Die Jobs wurden aufgeteilt, und dies ging deshalb, weil die Produktivität dieser vor allem Dienstleistungs- und Administrationsjobs im Rahmen der Zuteilungsbewirtschaftung und der Planwirtschaft keine kritische Größe darstellte. Letztlich wurde aber diese Belastung für jeden Betrieb über den Gesamtplan kompensiert, - ganz analog, wie heute die gesamtgesellschaftliche und steuerliche Belastung der Arbeitslosigkeit über die Sozial- und Arbeitslosenversicherung letztlich ebenfalls über die Gesamtwirtschaft kompensiert wird.
Wenn wir also einen Bürgergehalt einführen wollten, um Arbeit und Einkommen zu entkoppeln, und dazu noch einen leistungs- und arbeitstätigkeitsabhängigen Zuschlag, so daß sich sowohl auf relativ niedrigem Niveau das Faulenzen, und auf relativ hohem Niveau das Arbeiten lohnt, dann könnten wir in der Tat die Entscheidung, ob man arbeiten will oder nicht, jedem einzelnen überlassen. Aus der Natur des Menschen heraus, seinem Selbstverständnis wird man dann wohl erwarten, daß sich genügend Nichtfaulenzer finden, denen es durchaus Spaß macht, arbeiten zu können, die etwas dazu verdienen wollen, und das auch können. Die mit der Übernahme von Arbeit letztlich dann auch damit verknüpfte Bestimmungsmacht über diejenigen, die nicht arbeiten, wird, wenn auch gesellschaftlich vermittelt und demokratisch wie auch immer kontrolliert, diesem Personenkreis zufallen . Wir erhalten dann eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, und wir müssen uns darüber im Klaren sein, daß dies nicht eine herrschaftsfreies Nebeneinander sein wird, sondern ein Machtgefälle erzeugt - die Konsumsklaven, die sich ruhig zu verhalten haben und die neue arbeitende Klasse, die bestimmt, was gemacht wird. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht herrschen - wird es dann heißen und nicht mehr,: "Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen ..." (2 Thess. 3,11)
Man mag einer solchen möglichen Entwicklung skeptisch gegenüber stehen und auch ich wünsche sie nicht. Die Ungehemmtheit jedoch, mit der High-Tech, die Rekorde als Selbstwert, das Besser-Schneller-Höher und noch teuerer, nachgefragt und propagiert wird, stimmt schon skeptisch. Siegertypen sind in, die Werbung - eine heute zunehmend durch und durch unmoralische Veranstaltung - tut ihr übriges dazu, die Arbeitswelt in Verlierer und Sieger aufzuteilen.
Wir kommen zur Kopplung der Arbeit mit der sozialen Teilhabe am Arbeitsgeschehen. Sie ist und war in verschiedenen Ländern und Kulturen verschieden ausgeprägt, man kann sich diesen Unterschied einmal am Gegensatzpaar: amerikanischen Begriff des Jobs mit seinen vielfachen Wechseln im Laufe einer Arbeitsbiographie einerseits und dem beruflichen Selbstverständnis eines deutschen Handwerkers andererseits, der sich immer als Handwerker versteht und es bleibt, klarmachen, aber auch am Gegensatzpaar: hier Yuppie westlichen Zuschnitts und dort langjähriger Betriebsangehöriger in einem Volkseigenen Betrieb.
Nun löst sich zum einen die klassische Fabrik alten industriellen Zuschnitts zunehmend auf, weil die Vorbedingungen für ihre Entstehung, wie sie zu Beginn des 18. Jahrhunderts herrschten, durch die neuen Kommunikations- und Informationstechnologien im Verbund mit der enormen Verbilligung von Transportkosten und andere ökonomische wie organisatorische Bedingungen zunehmend wegfallen oder schon weggefallen sind. Eine Fabrik entstand, wo Energie verfügbar war für die Ersetzung von Arbeitsleistung durch Maschinen (Mechanisierung), wo Personal verfügbar war oder schnell angesiedelt werden konnte (Arbeitersiedlungen zeugen heute noch davon) und wo die Verkehrsanbindung günstig war (meistens Flußwege und Straßen-, später Eisenbahnkreuzungen). Die Fabrik war der Ort der Arbeit, der sozialen wie individuellen Kontrolle, der Konzentration von Information und daraus gewinnbarem Wissen zur Anwendung, in ihr entstanden die Produkte, von ihr aus wurden sie verteilt. Maschinen, Arbeitskraft, Kapital, Information und Grund und Boden waren räumlich eng konzentriert.
Blicken wir auf die heute schon organisatorisch wie technischen Möglichkeiten der Telearbeit, dann sehen wir, wie diese alte Fabrik ursprünglichen Zuschnitts verschwinden wird - daß sie sich nicht nur in Fraktale aufspaltet, sondern in der Tat auflöst: Die Konzentration von Information im Sinne der drei großen C (Command, Control, Communication) löst sich auf in das Netz. Die Arbeitsleistungen werden, außer in den vergleichsweise noch wenigen Fällen, wo Maschinen beschickt, gewartet und entsorgt werden müssen, von der räumlichen Distanz vom Arbeitsprozess selbst unabhängig, die Automatisierung entkoppelt zudem schon seit langem die Arbeitszeit und die Maschinenzeit. Arbeitsteiligkeit wird zur Verhandlungssache zwischen den Komponenten eines Systems und den darin Beschäftigten oder und mit ihnen frei Arbeitende, die sich alle weltweit verteilt befinden können: Die einzige Grenze der Dezentralisierung sind die Materialflüsse, also die Transporte der Rohteile, Güter und Produkte. Geht man zunehmend dazu über, den Transport zu verteuern - aus ökologischen wie aus ordnungspolitischen Gründen - wird die Produktion noch dezentralisierter, man wird lokal verteilte hoch flexible Produktionseinheiten aufbauen, die ihr Rohmaterial und Einzelteile aus der unmittelbaren Umgehung beziehen und durch Kommunikation im Netz von einer dezentralen Arbeitsvorbereitung und Produktionssteuerung synchronisiert werden.
Die wirtschaftliche Organisationsform dieser Zukunftsmusik gibt es schon lange: Die einzelnen betrieblichen Bereiche treten gegeneinander in eine ökonomische Austauschbeziehung, sie bilden Profit Centers und sie rechnen untereinander ab, wie wenn sie eigenständige Firmen wären. Sie beliefern sich just-in-time, d.h. zwischen zwei Bearbeitungsstationen einer Fertigung können Hunderte von Kilometern liegen.
Der Ort der Arbeit in der Produktion war paradigmatisch für die philosophische Auseinandersetzung mit der Arbeit. Wenn Marx über Arbeit sprach, hatte er überwiegend das Industrieproletariat vor Augen, weniger den womöglicherweise auch noch nach 16.30 h arbeitenden Beamten einer Behörde oder den Bauern oder gar Mitglieder der Dienerschaft. Diese paradigmatische Ort der Arbeit war auch ein Ort der Solidarisierung gegen Ausbeutung und Unterdrückung durch den Eigner der Produktionsmittel, also der Geburtsort der Arbeiterbewegung und dies sieht man den eingeschliffenen Verhaltensweisen der Gewerkschaften bis heute an.
Fällt nun dieser fast mythologisch aufgeladene Ort der Arbeit weg - und man soll ja nicht so tun, daß andernorts nicht auch seit jeher gearbeitet worden wäre - so fallen natürlich auch die Solidarisierungrituale weg, bzw. müssen durch andere ersetzt werden. Es fallen aber auch die Bedingungen weg, unter denen Arbeitsteiligkeit theoretisch zu verstehen und zu kritisieren versucht worden ist, Bedingungen, unter denen sich eine katholische Soziallehre und eine protestantische Arbeitsethik, eine Arbeiterbewegung mit verschiedenen politischen Verzweigungen und Ausdifferenzierungen, aber auch Entlohnungssysteme, Arbeitszeitregelungen und Sozialversicherungssysteme entwickeln konnten.
Die Teilhabe am sozialen Prozeß der Arbeit und deren Kommunikationsformen verändert sich daher, und der primäre Ort der Kommunikation ist schon lange nicht mehr die Arbeit, sondern die Massenmedien und - zunehmend - das Netz. Neben der tariflichen wie emotionalen Bindung an einen Betrieb oder eine sonstige arbeitgebende Institution wachsen die Arbeitsformen des Freelancers heran, des gelegentlich eine Bindung eingehenden freien Mitarbeiters, des quasi selbständigen Kleinunternehmers und Zulieferers, der jenseits von Tarifen die Arbeitsbedingungen immer wieder neu aushandelt mit denjenigen, mit denen er zusammenarbeitet. Es wächst eine von der Arbeitersolidarität alter Provenienz weit entfernte Form von Arbeit heran, die zwischen Eigenarbeit und Fremdarbeit unterscheidet, die in der Schattenwirtschaft, in losen Kooperativen, in nicht mehr zu kontrollierender Schwarz- Neben und nicht monetär zu quantifizierender Arbeit sich ausdifferenziert und sich den klassischen Regelungen der Bewirtschaftung von sozialer Sicherheit, der fiskalischen Erfassung und der tariflichen Bindung, aber auch den ursprünglich ständepolitisch orientierten Berufsbildern schlicht und einfach entzieht. Wir wissen wenig über die inneren Strukturen dieser Eigenarbeit, aber wir wissen über ihre steigende Bedeutung, auch für das Lebensgefühl der Menschen.
Es gibt ja durchaus Arbeit für keinen Lohn und auch Arbeit, wofür es nichts zu kaufen gibt, es sei nur an die ehrenamtliche Arbeit auf unterschiedlichsten Ebenen gedacht. Es wird aber auch Arbeit geben, die noch nicht einmal durch gegenseitige Obligation aufgewogen wird und sie wird ebenfalls getan. Es sind Tätigkeiten, die alle Merkmale der Arbeit tragen und doch keine Erwerbs-, Schatten- oder ehrenamtliche Arbeit darstellen - es sind Tätigkeiten aus einer inneren Haltung heraus, sei dies Zuwendung, Liebe, Nächstenliebe, Solidarität, Mitleid. Und diese Arbeit wird getan - nach wie vor, auch trotz Pflegeversicherung. Und es wird Arbeit geben, die nicht mehr getan werden wird unter den alten Bedingungen, beispielsweise Hausfrauenarbeit, die sozialgeschichtlich gesehen bis vor kurzem lediglich mit der Sozialabsicherungsfunktion einer Ehe vergolten wurde. Sie wird Geld kosten und manches andere auch.
Kommen wir zum letzten Begriff dieser Kopplung, der Identität. Auch diese Verbindung wird sich drastisch ändern. Sich durch seine eigene Arbeit zu definieren, ist selbst bei einem amerikanischen Job noch möglich - die moralische Beurteilung wird vom Inhalt des Jobs abgekoppelt. Egal was man tut, man tut es gut und richtig. Um sich selbst treu zu bleiben, ist es nach dieser Auffassung nicht nötig, sich an alle Jobs zu erinnern, sondern nur daran, daß man diese alle gut hinter sich gebracht hat. Da dies aber doch recht abstrakt ist, stellt man in Gesprächen mit amerikanischen Kollegen doch immer wieder fest, daß die Identitätsfindung nicht über die Arbeit, sondern über persönliche Beziehung, Gefühle, Charaktere, vielleicht auch über Heldentaten, nicht aber über das "Werk" vermittelt wird. Dies löst möglicherweise langfristig die Grundlage für ein Berufsethos europäischen wie japanischen Zuschnitts auf - dort ist es ja bekanntlich die Zugehörigkeit zu einer Firma, die Identität stiftet.
Die Erbringung der eigenen Arbeitsleistung im Netz - um dieses Wort als abstrakte Bezeichnung für enträumlichtes und zeitungebundenes Arbeiten zu gebrauchen - wird diese Tendenz weltweit verstärken. Die Anonymisierung läßt den Urheber hinter sein Arbeitsergebnis zurücktreten, ein Schutz des Gebrauches oder vor Mißbrauch durch die Nichtadressaten eines Arbeitsergebnisses ist erst in Entwicklung (es sei an das sog. Signatar-Gesetz erinnert). Das geistige Eigentum, durch eigene Arbeit erworben oder erzeugt, findet im Augenblick lediglich ein moralischen, aber keinen wirkungsvollen rechtlichen Schutz mehr. Die Konsequenzen für die Arbeit, die immer mehr abstrakte Produkte hervorbringen, und ihre identitätsstiftende Möglichkeit, liegen klar auf der Hand. Die Suche nach Identität verlagert sich aus dem Arbeitsprozess in die Freizeit, den Konsum und in alternative Sinnangebote - Esoterikszene, Extremsportarten, Drogen und Fundamentalismus, um nur einige zu nennen.
Die Entkopplung von Arbeit und Identität ist vielleicht doch nicht so bedauerlich, wie sie erscheinen mag. Lebt man um zu arbeiten, oder arbeitet man, um zu leben? Vielleicht sollte man La Fargue´s "Lob der Faulheit" noch einmal lesen - der Autor was Schwiegervater von Karl Marx! Hinter dieser Empfehlung steckte die damals plausible Einsicht, daß Arbeit schneller vermehrbar als Geld sei. Dies gilt für die Verteilungsgerechtigkeit bei der Erwerbsarbeit aber schon lange nicht mehr und diese Gerechtigkeit ist so vermutlich auch gar nicht herstellbar.
6. Sind wir am Ende ohne Arbeit?
Wenn wir sagen, daß wir Arbeit gerecht verteilen wollen, dann meinen wir eher damit, daß wir die Möglichkeit zur Identitätsfindung, die Möglichkeit zur Teilhabe am sozialen Prozess, die Möglichkeit zu Eigentum als Verantwortung einer gewissen materiellen und damit auch politischen Freiheit gerecht verteilen sollten. Wenn die neuen Technologien und Organisationsformen zu permanent hoher Arbeitslosigkeit einerseits und zur Entkopplung der Arbeit von den oben genannten Möglichkeiten führen, dann sollten wir aus der Not eine Tugend machen: Wir sollten und überlegen, wie wir neben all den Bemühungen, die Arbeitslosigkeit doch noch zu verringern, die Verteilungsfrage für Eigentum, soziale Teilhabe und Anerkennung immer wieder stellen und nach Antworten suchen.
Es ist auch nicht so, daß uns die Arbeit ausgehe. Wir können es auch einmal anders sehen: Nicht die Arbeit, das Geld ist alle! Aber welches und wessen?
Wie gesagt, es werden bis 2003 an die 2 Billionen DM vererbt oder überschrieben werden und damit kann man sich Dienstleistungen kaufen und vielleicht entstehen dadurch neue Arbeitsplätze auf einem Dienstleistungssektor, den man früher Dienerschaft nannte. Aber auch dieses Geld wird bald verjubelt und alle sein, wenn es nicht so investiert wird, daß es zumindest in der Wertschöpfung soviel schafft, wie davon konsumptiv verbraucht wird.
Wenn wir sagen, das Geld sei alle, dann ist damit das öffentliche Geld gemeint. Unser Finanzierungssystem hängt an der Erwerbsarbeit und ist gebunden an die Leistungspflichten des öffentlich-rechtlich abgesicherten Versorgungs- und Versicherungssystems. Die öffentliche Haushalte bekommen aus vielerlei Gründen weniger Einnahmen, dies hängt mit fehlenden Steuereinnahmen, dem Geburtenrückgang, mit der Abwanderung attraktiver Arbeitsplätze in Billiglohnländer, aber auch mit den überhöhten Versorgungsansprüchen einer immer älter werdenden und immer hemmungslos ihr erwirtschaftetes Geld verprassenden Bevölkerungsschicht zusammen. Und es hängt auch damit zusammen, daß wir nicht bereit sind, wirklich Einschnitte in die Subventionen von althergebrachten Besitzständen zu machen und die Besitzstandswahrung de facto zum Verfassungsrang erhoben haben. Arbeitslose Jugendliche wissen nicht, was sie mit sich und ihrer Zeit anfangen sollen, sie sehen sich in ihrer Chancenlosigkeit allein gelassen und bekommen angesichts der Alten in Mallorca oder sonstwo das Gefühl, die Ungnade der späten Geburt erleiden zu müssen, also in eine Zeit hineingeboren zu sein, wo es nichts mehr zu verteilen oder zu erobern gibt, keine Chancen, keine Arbeit, nur noch Geld, und zwar an die, die schon haben. Der Eindruck der Sinnlosigkeit ist der verheerendste, den wir bei der Jugend durch unsere Art und Weise, Arbeit zu verteilen, erzeugen können - und die Jugendkriminalität und ihre Anfälligkeit auf rechtsradikales Gedankengut geben die prompte Antwort
Dabei gibt es Arbeit im Sinne von sinnvollen Aufgaben haufenweise - es gibt, man muß nur in die Welt blicken, erschreckend viel zu tun. Aber für die notwendigen Aufgaben ist kein Geld da von dem Geld, das doch da ist. Es ist also nicht nur die strukturelle Arbeitslosigkeit, die uns über die Bedingungen zukünftigen Arbeitens nachdenken läßt, sondern auch die Frage angesichts der Entwicklung in der Welt, vor der wir gerne die Augen, und zwar immer wieder verschließen. Denn es hat uns seit dem ersten Bericht des Club of Rome noch niemand glaubwürdig berichten können, daß das Problem der Überbevölkerung nunmehr geregelt sei.
Heute ist - wenn man den Zahlen Glauben schenken darf - über die Hälfte der Weltbevölkerung unter 15 Jahre alt - wir denken in den europäischen Industrieländern über eine altersgerechte Technik und Organisation unserer Arbeit nach, weil wir eine überalterte Belegschaft auf uns zukommen sehen und um die Innovationsfähigkeit unserer Firmen fürchten - eine aberwitzige Standortdebatte, die uns zukünftige Migrationsbewegungen schnell austreiben werden.
Energie und Ressourcenverbrauch sind bekanntlich überwiegend auf der Nordhalbkugel konzentriert, ebenfalls die Konsumgüter und Nahrungsmittel - von einer globalen Gerechtigkeit kann keine Rede sein und es wird noch nicht einmal ernsthaft der Versuch dazu unternommen. Diese Asymmetrie bezieht sich auch darauf, so arbeiten zu können, daß man sich mit eigener Hände Arbeit Besitz erarbeiten könne, der ein wenig unabhängiger machen könnte. Entwicklungshilfe war keine Hilfe zur Arbeit oder Eigenentwicklung, sondern ist, wohl in Ost wie West, bis heute noch Investitionspolitik zur Erschließung künftiger Märkte, die wegen eines nie gelisteten Aufbaus der Wertschöpfungskette auch schnell wieder ganz zusammenbrechen werden.
Wenn Arbeitsmöglichkeit unter menschlichen Bedingungen (Eigentumserwerb, Soziale Anerkennung, Identität) ein zu verteilendes Gut ist, dann allerdings haben wir sowohl in den Industriestaaten wie auch weltweit eine Gerechtigkeitslücke, die ohne größere Unruhe wohl nicht lange auszuhalten und aufrechtzuerhalten sein wird. Deshalb gibt es viel zu tun. Denn der Mensch ist das einzige Gattungswesen, das sich durch eigene Arbeit seine eigenen Existenzbedingungen (Reproduktionsbedingungen) schaffen muß und - sagen wir es positiv - schaffen darf. Ein Ende ohne Arbeit ist wohl nur als ein Ende der Natur des Menschen vorstellbar, also das Ende schlechthin. Denn jedes noch so leidlich aufrechterhaltene Gemeinwesen bedarf der Erhaltungsarbeit, jedes Gebäude, jede Einrichtung, jedes Werkzeug. Keine Arbeit bedeutet Zerfall. Also Arbeit ohne Ende - aber wer tut sie oder müssen wir fragen: wer darf sie tun?
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