Diskurs-Verlauf im Überblick

 

Sechs Jahre vor ihrem Tod unterstreicht Karola Bloch die dramatischen Ambivalenzen in der Entwicklung des Faktors Arbeit im Verhältnis zu den neuen Techniken. In "Denkende Maschinen" (Dez. 1988) stellt sie die Frage nach dem "Einverständnis des Menschen mit sich selbst". Karola Bloch geht in ihrer Sicht deutlich über Ernst Bloch hinaus.

In seinem Beitrag "Der Faktor Arbeit in der Philosophie Ernst Blochs" (Aug. 1998) skizziert Jan Robert Bloch den eher traditionellen Arbeitsbegriff Ernst Blochs, der Marx folgend die Befreiung der Arbeit in der "Arbeit der Muße" als Abgrenzung zur zwanghaften Erwerbsarbeit sieht. Ernst Blochs Position erscheint gegenüber Adolph Lowe als unzureichend. Zukunftsweisend ist jedoch der Gedanke der Blochschen "Allianztechnik". Ernst Blochs marxnahe Vorstellungen stehen unter hohen Herausforderungsdruck durch die gegenwärtigen Transformationsprozesse.

Flexibilisierung im Sinne der Bedürfnisse der Menschen anstelle der einseitigen Flexibilitätsforderungen des Marktes bilden den argumentativen Kern von Oskar Negts Votum "Für eine Ökonomie des ganzen Hauses". Im Geiste Blochs setzt er auf eine ganz andere Art des Wirtschaftens und des Arbeitens: Aspekte für einen Einstieg in eine konkrete Utopie der Arbeit. Negt ist der Allianztechnik Blochs und der ganzheitlich zu fassenden Sinnfrage Karola Blochs nahe.

Für eine diffenzierte Beurteilung moderner Technologien lassen sich so Michael Pauen wichtige Kriterien aus der Philosophie Blochs ableiten. Pauen plädiert in seinem Beitrag "Utopie oder Alptraum Ernst Blochs Konzeption einer ,humanistischen Technik‘ und die Konsequenzen des Internet für die Arbeitswelt" für eine Heranziehung von Blochs Grundvorstellungen einer "dem Menschen gemäßen Technik" als einem möglichen Maßstab bei der Gestaltung. Pauens Beitrag erweitert die Aussagen Jan Robert Blochs.

Über die Grenzen der Gültigkeit der Blochschen Arbeitsbegriffs äußert sich Welf Schröter in seinem Text "Potentiale und Ungleichzeitigkeiten in der Generierung neuer Infrastrukturen der Arbeit". Der qualitative Wandel der Arbeitskultur und die vorhandenen Trends zur "Virtualisierung der Arbeitswelten" verlangen ein "neues Lesen des Blochschen Werkes". Blochs "Ungleichzeitigkeit" ist hoch aktuell und zukunftsorientiert anwendbar. Schröter hinterfragt wie Klotz die Grundannahmen sozialwissenschaftlicher und kritischer Theoriebildung.

Die zweischneidigen Risiken und sozialen Auswirkungen der "Auflösung des Normalarbeitsverhältnisses" thematisiert Ralf Joas in "Wandel der Arbeit - Wandel der Lebenswelt". Ähnlich wie Klotz, Mosdorf und Schröter verläßt er analytisch die engen Bahnen, in denen Marx und Bloch das Phänomen Lohnarbeit betriebsarbeitsplatzzentriert deuteten. Joas erblickt das Solidaritätsprinzip der Gewerkschaften auf einem harten Prüfstand.

Wolfram Burisch verfaßte seinen Aufsatz ",Das Leben ist Freizeit‘ Über die Diskriminierung emanzipatorischer Arbeit" 1987 knapp acht Jahre vor seinem zu frühen Tod. Als Reflex auf den Wandel der Arbeit konstatierte er eine "Ausdehnung" der "Freizeitindustrie". Diese verschaffe dem "entwürdigten Menschen" einen Weg zur "Entspannung". Im Gegensatz dazu fragt Burisch nach dem "gelungenen Leben".

Als einen der "bedeutendsten intellektuellen Köpfe der Nachkriegszeit" schätzt Siegmar Mosdorf den Philosophen Ernst Bloch. Im Rahmen des heutigen fundamentalen gesellschaftlichen Transformationsprozesses zur globalen Informationsgesellschaft" sieht Mosdorf in Bloch einen, der uns noch immer "viel zu sagen" hat. Das analytische Statement "Wandel der Arbeit in der Informationsgesellschaft" von Siegmar Mosdorf belegt ähnlich wie Schröter die aktuellen Herausforderungen an unser bisheriges Verständnis von Arbeit.

Der Mensch: "Wir müssen nicht von ihm, sondern auf ihn ausgehen." Dieser Ausspruch Bert Brechts geleitet Gerd Koch in "Theaterpädagogische Prozesse als 'Lebensgewinnungsprozesse' (Marx)" zu achtzehn Gedankensplittern über die Annäherungen an lernendes Arbeiten im Theater. Ähnlich wie Anne Frommann setzt Koch auf das pädagogische Wirken. Theater als utopischer Ort könnte auch ein spielerischer Ort für die Utopie der Arbeit sein. Frommann, Negt und Koch ergänzen sich synergetisch.

Mit der Aussage von den "brauchbaren, methodisch exakten sowie von Ideologie freien Hilfsbegriffen, Denkmustern und Praxisbezügen für soziale, technische und kulturelle Entwicklungsprozesse" hebt Klaus Kufeld die Aktualität des Blochschen Werks hervor. Diese Denkmuster sind im verantwortungsvollen Umgang mit Innovationsstrategien unentbehrlich. Kufeld unterstreicht in "Wandel der Arbeitskultur - Eine Zukunftsskizze aus Blochscher Sicht" die zunehmende Bedeutung des "Ernst-Bloch-Zentrums" als Ort, an dem ein produktiver Umgang mit der Zukunft der Arbeit möglich wird.

Die Auswirkungen der neuen technikbasierten Arbeitswelten auf die Beschäftigungssituation von Frauen benennt Irene Scherer in ihren Thesen "Vernetzungen enttäuschter Hoffnung". Sie sieht in der Flexibilisierung von Arbeitsorganisationen – neben den gewichtigen Gefahren – besonders aber auch große Potentiale zur Gestaltung der Beschäftigungsverhältnisse. Diese waren bislang nur allzu unzureichend den Diskontinuitäten in weiblichen Biographien gerecht geworden. In Anlehnung an Karola Bloch unterstreicht sie die vorhandenen Möglichkeiten zur Veränderung.

Für eine Aufwertung der "Gemeinwesenarbeit" tritt Barbara Fritz in ihrem Positionspapier "Wie wir in Zukunft arbeiten könnten: Psychosoziale Gesundheit als Wirtschaftsfaktor in der Informationsgesellschaft - Wie wandelt sich Arbeit und die Vorstellung davon " ein. Entlang des Blochschen Denkens sucht sie nach den Chancen der Ganzheitlichkeit in den neuen Arbeitswelten. Von der Telearbeit führt der Weg unter anderem zum Thema Grundsicherung.

Ähnlich wie Negt greift auch Horst Müller auf die formationellen Grundlagen Marxens zurück, um eine neue Ökonomie im Sinne des Sozialen einzufordern. Die thesenhafte Argumentation Müllers "Ernst Bloch und die Frage nach einer konkreten Utopie der politischen Ökonomie" setzt auf die produktive Spannung zwischen Marx und Bloch: Negative Kritik und positive Utopie. Beide Denker sind in ihren Kernvorstellungen weder abgegolten noch ausreichend aufgehoben. Müllers Positionen kontrastieren auf der Erscheinungsebene zu Klotz und Schröter. Müller plädiert für eine neue "Theorie der Sozialwirtschaft".

Den Übergang in die Informationsgesellschaft beschreibt Ulrich Klotz unter anderem als Aufbrechen der "sicheren Arbeitsplätze" hin zum Typ des Selbst-Angestellten (self-employed). Klotz‘ Beitrag "Informationsarbeit und das Ende des Taylorismus" greift das Phänomen des "job shift" auf und trennt zwischen "old work" und "new work". Er stellt die linkstheoretischen Grundannahmen über die Befreiung der Arbeit über den Weg der Befreiung der Lohnarbeit in Frage.

In "Rhythmus - Modul - Horizont" faßt Anne Frommann ihre Leitbegriffe dieses Diskurses. Vor dem Hintergrund langjähriger Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen fordert die Pädagogin die Kompetenz zur Unterscheidung zwischen Virtualität und Realität ein. Sie stellt blochisch fest, daß die zentralen Handlungs- und Denkfähigkeiten sich nicht einfach aus der modernen Technik entwickeln, sondern daß Kinder die Differenzierung zwischen Wirklichkeit und Betrug selbst erlernen können müssen. Hier vor allem liege eine früh zu verortende Vorbereitung auf späteren beruflichen Alltag.

Mit "Einigen Thesen zur kritischen Utopie als Analyse des Raums des Möglichen" rekonstruiert Richard Scherer die Funktion der Utopie. Bezugnehmend auf Bourdieu sieht er in der Gegenwart "das Resultat der Kämpfe der Vergangenheit". Scherer drängt auf eine Kooperation von Intellektuellen und Wissenschaftlern, die ihre gesellschaftliche Verantwortung gegen eine "Verängerung der etablierten Ordnung" wahrnehmen. Die Thesen stützen den Ansatz Horst Müllers.

Technikphilosophisch und arbeits- wie technikgeschichtlich geht Klaus Kornwachs in seinem längeren Beitrag auf "Arbeit der Technik – Technik der Arbeit" ein. Er analysiert den Begriff von Arbeit und unser Verständnis davon. Kornwachs erkennt in der Verteilung der Arbeit eine "Gerechtigkeitslücke". Sollen Arbeit und Einkommen weiter entkoppelt werden? Unter Rückgriff auf Ropohl, Dahrendorf und Marx sucht er am Ende Antworten auf die Frage: "Sind wir am Ende ohne Arbeit"?

Zu den kompetentesten Herausforderern der tradierten Arbeitswelten gehört Werner Zorn, der bei der IBM Informationssysteme GmbH das Projekt Telearbeit leitete. Zehn Jahre lang hat das Unternehmen mit Telearbeit Erfahrungen gesammelt, sie begleitend untersuchen lassen und sie mit den Beschäftigten beraten. Zorn resümiert in seinem Beitrag "Telearbeit eine neue Arbeitskultur" die Ergebnisse und verweist auf die hohen Veränderungspotentiale, die in dem Thema enthalten sind. Die Praxis von Telearbeit, wie sie derzeit in großen IT-Firmen vorangetrieben wird, wird prägende Auswirkungen auf das Verständnis von Arbeit generell erlangen.

Unter dem Titel "FLEXIBLE ZEITEN IN NEUER ARBEITSKULTUR – Erfahrungen mit neuen Organisationsformen der Arbeit und innovativen Zeitstrukturen" fand am 23./24. September 1999 im Rahmen der "Tage der Chemie" in Ludwigshafen am Rhein ein hochkarätig besetzter Workshop statt. Er wurde veranstaltet von BASF AG, Ernst-Bloch-Zentrum der Stadt Ludwigshafen, IG Bergbau, Chemie und Energie, Rhein-Neckar-Dreieck e.V, Virtuelle Bloch-Akademie des Talheimer Verlags mit freundlicher Unterstützung durch die Stiftung Ernst-Bloch-Zentrum der Stadt Ludwigshafen, Stadtsparkasse am Rhein, Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur, Stiftung der Landesbank Rheinland-Pfalz und durch das Forum Soziale Technikgestaltung beim DGB Baden-Württemberg. Beispielhaft wurden Erfahrungen in der Region zur Diskussion gestellt werden. Dabei bildeten sowohl betriebliche Arbeitszeitregelungen, Flexibilisierungsmodelle und die Zukunft der Arbeit Kernpunkte der Tagung.

Unter dem Titel "Perspektiven der Wissensgesellschaft – Innovationen und Wandel der Beschäftigungsformen" setzt sich Dr. Dieter Klumpp, Alcatel SEL Stiftung für Kommunikationsforschung, als "wirtschaftsnaher Diskursexperte" (Frankfurter Rundschau) mit dem "Axiom der Berechenbarkeit" in der Wirtschaft auseinander. Die Befangenheit der Experten in Beratergremien der Politik, der zunehmende Druck auf Beschäftigte in Richtung Qualifizierung und absehbare Trends in der Telearbeit gehören zu den Eckpunkten seines Beitrages. Klumpp ist für seine journalistisch geschliffene Ausdrucksweise bekannt. Der Autor stellt seinen Beitrag, den er am 24. Mai 2000 für die Veranstaltungsreihe "Wandel der Erwerbsarbeit in der Informations- und Wissensgesellschaft" – getragen von der Akademie für Technikfolgenabschätzung, dem Verband der Metallindustrie VMI Baden-Württemberg, dem Forum Soziale Technikgestaltung des DGB, der Evangelischen Akademie Bad Boll und der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart – gehalten hat, freundlicherweise der "Virtuellen Bloch-Akademie" zur Verfügung.

"Wenn wir die Dynamik der neuen Online-Arbeitswelten verstehen wollen, müssen wir lernen, auch in virtuellen Wertschöpfungszusammenhängen denken zu können." Unter diesem Motto fasst Welf Schröter in seinem Beitrag "Onlinekompetenz und Neue Infrastrukturen der Arbeit (2001)" seine Erfahrungen mit der Gestaltung neuer Arbeitswelten zusammen.

"Konkrete Utopien der Arbeit" – so lautete eine gemeinsame Tagung der Stiftung Ernst-Bloch-Zentrum und der "Virtuellen Bloch-Akademie" des Talheimer Verlages in Zusammenarbeit mit dem Forum Soziale Technikgestaltung, der Gewerkschaft ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg Abteilung Bildung und der Ernst-Bloch-Gesellschaft e.V., die sich am 22. November 2002 mit der Bedeutung des Blochschen Begriffs der 'Ungleichzeitigkeit’ für die Gestaltung der neuen Arbeitswelten befasste. Folgende Vorträge prägten die Tagung:

Eine neue Generation von Software bringt für die Organisationsabläufe des Arbeitens am Netz (E-Working) neue Chancen: Das "Prinzip der Delegation" auf dem Gebiet der "Electronic Mobility" beschreibt der Leiter der "Stabsgruppe arbeit 21" im Technologie-Leitprojekt der Bundesregierung "MAP – Multimedia-Arbeitsplatz der Zukunft", Welf Schröter.